Vor einer Woche haben die Länder das wohl wichtigste Schul-Tech-Vorhaben des Jahres angekündigt. Was die bundesweite Sprach-KI kann, ist aber wenige Tage vor ihrer Veröffentlichung unklar. Dabei ist das Angebot fertiger KI-Tools mit Assistenten und Feedback-Funktion riesig. Warum gab es nur eine beschränkte Ausschreibung?

Noch im Februar werde die Sprach-KI der Länder den Schulen zum Test freigegeben. So lautete die Ankündigung des „Medieninstituts der Länder FWU“. Doch sowohl die Funktionen als auch die Vergabe-Umstände lassen nichts Gutes hoffen. Bislang weiß weder das FWU noch das Sekretariat der Kultusminister, was die Sprach-KI drauf hat. Auch der Dienstleister Titanom, der den Zuschlag ohne Ausschreibung bekommen hat, hüllt sich in Schweigen. Das ist deswegen so verwunderlich, weil es am Markt ein halbes Dutzend Angebote gibt, die sofort einsetzbar sind – und durchdacht.

Die Versorgung der Schulen in Deutschland mit generativer KI ist das große Digital-Thema. Die Kultusministerkonferenz will Sprach-KI. Die wissenschaftliche Kommission der Schulminister drängt bereits seit einem Jahr darauf. Und auch Umfragen zeigen: es wird höchste Zeit, dass es pädagogische Angebote zu großen Sprachmodellen in Schulen gibt – denn die Schüler:innen nutzen die KI bereits intensiv. Daher war die Erleichterung bei Lehrkräften und Schulen groß, als endlich ein bundesweit nutzbares Tool angekündigt wurde. (Sie Tagesspiegel Background KI) Allein, seitdem werden die Fragezeichen immer größer.

Vergabe ohne Ausschreibung „ist nicht fair“

Die Fragezeichen gelten für die Anbieter von Sprach-KI, die zum Teil seit zwei Jahren multifunktionelle KI-Anwendungen zur Verfügung stellen. „Ich freue mich für Titanom, wenn das ein brauchbares KI-Tool wird“, sagte einer der Anbieter, der seinen Namen nicht nennen will. „Aber wenn die Vergabe ohne Ausschreibung und ohne Beteiligung der vielen vorhandenen Lösungen stattfand, dann ist das nicht fair.“ Tatsächlich erfolgte der Auftrag an Titanom mittels einer so genannten unterschwelligen Vergabe.

Über zwei Jahre nach dem Erscheinen von ChatGPT sollte eine neue Plattform uns Lehrkräften zumindest die Möglichkeiten bieten, die auch ChatGPT & Co. bereitstellen.

Dazu wurden im Rahmen einer Art nichtöffentlichen Auschreibung interessante Wettbewerber aufgefordert, sich zu beteiligen. Titanom habe „das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und mit entsprechender Eignung den Zuschlag erhalten“, teilte das FWU mit. Ob das wettbewerbsrechtlich korrekt ist, wird sich noch zeigen. Jedenfalls teilten die profiliertesten Anbieter für Sprach-KIs mit, nicht zur Bewerbung aufgefordert worden zu sein.

FWU und Titanom können „keine technischen Details“ nennen

Verwunderung herrscht aber auch bei Lehrkräften, die sich auf KI fokussiert haben. „Über zwei Jahre nach dem Erscheinen von ChatGPT sollte eine neue Plattform uns Lehrkräften zumindest die Möglichkeiten bieten, die auch ChatGPT & Co. bereitstellen: Also multimodale Fähigkeiten wie Bildgenerierung, das Erproben von CustomGPTs, vor allem aber die Nutzung einer datenschutzkonformen und funktionalen Spracheingabe analog zum voice mode von ChatGPT, der im Unterricht aller Fächer großartige Möglichkeiten für Sprechtraining und Lernbegleitung bietet“, sagte Hauke Pölert, einer der Stars aus der KI-Lehrer-Szene. „Die Befürchtung ist aber, dass nun wieder eine Anwendung kommt, die nur einfachste Eingaben in den Chatbot ermöglicht.“

Die profiliertesten Anbieter von Schul-KIs

Wo ist hier vorne?

Wie es aussieht, könnte Pölert Recht haben. Seit einer Woche versuchen wir herauszufinden, was die neue Sprach-KI eigentlich kann. Darauf gab es nach Tagen des Schweigens aus dem FWU nun folgende Antwort: „Da sich die Entwicklung des KI-Chatbots noch in einer frühen Entwicklungsphase befindet, können wir momentan keine technischen Details bekanntgeben.“ Auch das Unternehmen Titanom informierte bis Redaktionsschluss nicht darüber, was die Sprach-KI können wird, die schon im Februar als Testversion nutzbar sein soll. Bislang bietet Titanom in seinem DeutschlandGPT zum Beispiel KI-Assistenten nur in der Premium-Version an.

Da sich die Entwicklung des KI-Chatbots noch in einer frühen Entwicklungsphase befindet, können wir momentan keine technischen Details bekanntgeben.

Diese Nicht-Antworten müssen verwundern. Die gängigen Anbieter auf dem Markt haben binnen weniger Stunden den Funktionsumfang ihrer Sprach-KI nennen können. In der Reihenfolge des Eintreffens eine Auswahl an Funktionen der gängigen Anbieter:

Der EduBot aus München erlaubt es Lehrern, sich einen KI-Assistenten zu gestalten und dabei bis zu 50 MB an Hintergrundmaterial hochzuladen. Der EduBot hat eine Feedback-Funktion. Das heißt Lehrkräfte können eigene Kriterien in die Sprach-KI als voreingestellte Prompts eingeben – damit die KI Schülern individuelle Rückmeldungen für Texte liefern kann.

Das relativ neue Tool Korrekturkumpel aus Berlin ist genau auf diese Rückmeldungen spezialisiert. Auch eine Bild-KI und ein KI-Assistent wird bald zu dem Angebot aus der Hauptstadt gehören. Der Korrekturkumpel wird in einem Modellversuch in Bayern regulär eingesetzt.

Die SchulKI von Julian Dorn aus Leipzig beherrscht einen fortgeschrittenen KI-Assistenten als CustomGPT. Die Systemprompts kommen aus den Funktionsbeschreibungen der Lehrkräfte. In dem KI-Assistenten können eine ganze Reihe von Dokumenten hinterlegt werden. SchulKI hat zudem eine Bild-KI mit einem dreistufigen Jugendschutzfilter. Es ist mit verschiedenen LLM im Hintergrund bestückt – unter anderem einer Llama 3.1 Version, die in Deutschland gehostet ist. Das sächsische Unternehmen SchulKI wird seit langem in Bayern und Niedersachsen in Modellprojekten eingesetzt.

Fobizz aus Hamburg hat ähnlich ausgefeilte und erprobte Features. Hier gibt es den KI-Assistenten, den sich Lehrkräfte bauen können – wenn auch mit etwas geringerer Speicherkapazität als bei EduBot. Fobizz bietet eine Feedback-Funktion an, die Lehrkräfte individuell gestalten können. Bei dem Tool von Gründerin Diana Knodel ist auch die beliebte Funktion des historischen Gesprächspartners für Schüler möglich. Fobizz dürfte mit zwei Landeslizenzen und mehreren Tausend angedockten Schulen der Marktführer bei Sprach-KI in Deutschland sein.

Das KI-Tool Paddy aus Bielefeld kommt von einer Gruppe junger Pädagogen und Informatiker. Es besitzt alle Funktionen, die Lehrkräfte brauchen: Einen KI-Assistenten, der mit sieben Dokumenten und insgesamt 15 MB beladen werden kann. Ein CustomGPT, dem Lehrkräfte per System-Chat bestimmte Rollen wie „Geschichts-Experte“ oder „Hausaufgabenhilfe“ zuweisen können. Es gibt eine Bild-KI in drei Varianten, Chatverläufe können die Nutzer speichern.

… hieß vorher Fiete.ai

Hinter dem Tool FelloFish verbirgt sich das kürzliche umbenannte Fiete.ai. FelloFish hat sich auf Feedback für SchülerInnen spezialisiert. Lehrkräfte können der KI ihre eigenen Bewertungskriterien mit bis zu sieben Systemprompts auftragen, um Schülertexte zu begutachten. Diese Funktion wird Schritt für Schritt auf die Anforderungen verschiedener Fächer angewandt. FelloFish ist der Marktführer auf diesem Gebiet und wird in mehreren Bundesländern eingesetzt: in Sachsen-Anhalt als private-public-Partnership, um das Tool weiter zu entwickeln. Außerdem in Bayern, in NRW und in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Sprach-KI des Berliner Start-ups Eduhu hat kein Chat-Fenster zum freien Spiel mit den LLM. Die Philosophie bei Eduhu ist eine andere: der Nutzer wird geführt, das heißt er „erhält pädagogisch-didaktische Fragen, die er/sie als Lehrer:in gut beantworten kann“. Eduhu verarbeitet darin Profilinformationen über die Lehrkraft und die Lerngruppe.

Bayern und Sachsen-Anhalt haben die Nase vorn, Baden-Württembergs KI kann wenig

Die Eigenart der kommerziellen Tools ist nicht nur, dass ihr Leistungsumfang größer als bei der bundesweiten Sprach-KI in spe ist. Die privaten Unternehmen geben auch schneller und ausführlicher Auskunft. Das war bei den anderen Landesangeboten ähnlich. Auch hier in der Reihenfolge des Eintreffens gelistet.

Brandenburg: Dort heißt das Tool bbb_KI, was für KI des Berlin-Brandenburger Bildungsservers steht. Sie besitzt die wichtige Funktion des KI-Assistenten – allerdings ohne die Möglichkeit für Lehrer, eigene Dateien zu hinterlegen. bbb_KI hat eine Bild-KI und kann Chatverläufe verschlüsselt speichern.

Baden-Württemberg: der fAIrChat aus dem Südwesten dürfte das schwächste KI-Angebot sein. Dort können Lehrkräfte keine eigenen Dateien hochladen. fAIrChat hat auch keine Feedback-Funktion. Die Bild-KI funktioniere technisch, sei aber noch nicht freigeschaltet. Immerhin kann sich das Angebot den bisherigen Chatverlauf merken.

Wir können hier nicht für das Produkt sprechen.

Sachsen-Anhalt: emuKI heißt hier das Angebot. Es gibt Lehrkräften die Möglichkeit, sich einen KI-Assistenten zu bauen und dabei 15 MB Dokumente zu hinterlegen. Mit der Sprach-KI können Lehrkräfte individualisieren, es ist also auch ein Feedback-Modus machbar. Außerdem gibt es Anschluss an Bild-KI. Die Chatverläufe „können auf Wunsch verschlüsselt gespeichert werden.“

Berlin bietet seinen Lehrkräften den Co-Piloten von Microsoft als KI-Tool. Auskünfte, was die Anwendung kann, mochte ein Sprecher nicht geben. „Dazu bitte direkt an Microsoft wenden“, teilte er Background mit. „Wir können hier nicht für das Produkt sprechen.“

Die beste Schul-KI der Länder?

Sachsen: Dort heißt das KI-Tool KAI und ist ähnlich limitiert wie fAIrChat: (noch) kein KI-Assistent machbar, den Lehrkräfte mit Hintergrundmaterial beladen könnten. Kein CustomGPT, keine Feedback-Funktion für SchülerInnen. Bild-KI ist zugänglich, Chatverläufe können gespeichert werden.

Bayern gab bis Redaktionsschluss keine Auskunft darüber, was die Sprach-KI namens „ByLKI“ kann. Die speziell auf Lehrkräfte zugeschnittene KI greift auf eine Vielzahl von LLM zurück. Die Bayerische Lehrer-KI erlaubt die Gestaltung eigener KI-Assistenten, ermöglicht Austausch mit anderen Lehrkräften und ist das beste Tool der Länder. Für Schüler steht es nicht zur Verfügung.