Pisaversteher

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Pressefreiheit

Die Pressefreiheit ist seit Pegida&AfDs Kampfbegriff der Lügenpresse in Verruf geraten. Und fällt eigentlich Hatespeach im Netz auch unter Pressefreiheit?

In einem 2016er Wirkshop für die Bundeszentrale für Politische Bildung habe ich zusammen mit Stefan Sommerfeld das Thema mit Schülern bearbeitet.

Hier geht es zu den Unterseiten  Pressefreiheit I und Pressefreiheit II mit einer Präsentation und Aufgabenstellungen.

Die Journalistin Claudia Zimmermann sagt zum Thema Zensur:

„Unausgesprochen haben sich fast alle Journalisten über Jahre einen Maulkorb auferlegt, so wie auch die Polizei und die Politik. Wir haben doch alle die Tatsachen verschwiegen, political correctness falsch verstanden.“ Quelle: Rheinische Post

Wir werden im Wirkshop der Frage nachgehen: Gibt es Schweigekartelle, Themenverbote, Faktentabus in Redaktionen? +++ update +++ news

Keine Diskussion! Die Rolle der Pressefreiheit in  der Demokratie

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Erinnerungsmarke, gemeinfrei

Hier finden Sie/findet Ihr Dokumente und zwei Pro&Contra-Debatten zum Workshop „Pressefreiheit“ (Samstag 9:30 Uhr) der Tagung „Keine Diskussion! – Demokratie und politischer Extremismus“. Die Tagung der Bundeszentrale für Politische Bildung findet von 22. bis 24. Januar 2015 in Nürnberg statt.

Wenn Du in den Wirkshop von mir und Stephan Sommerfeld kommen willst, dann freuen wir uns. Schreib bitte ein kurzes Mail: Aus welcher Institution Du kommst – und welches Schreibgerät Du mitbringst: Laptop, Tablet, Bleistift&Papier? cifbureau [das Zeichen, das hier hin muss] web {dot} de

Pressefreiheit: Pfeiler der Demokratie – oder Untoter der Netz-Gesellschaft?

Ankündigung: Weißt auch Du nicht, ob die „vierte Gewalt“ des Journalismus wichtiger ist als die „fünfte Gewalt“ im Internet? Dann nimm am Workshop „Pressefreiheit“ teil. Wir sehen Dich als Teilgeber einer Lehrredaktion, die über Quellen- oder Staatsschutz befinden muss. Wir werden in Übungen über Veröffentlichung oder Verfolgung von Texten&Autoren entscheiden. Wir finden heraus, was die Spiegelaffäre und der mutmaßliche Geheimnisverrat von Netzpolitik miteinander zu tun haben. Wir schauen, wie exzellenter und investigativer Journalismus in Zeiten von Hatespeech im Netz möglich ist. Lerne die Karlsbader Beschlüsse, die Durchsuchung des „Cicero“ und den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ einzuordnen. Hole Dir vorab Dokumente und Fälle hier unter Pisaversteher – und schreibe total verbotene Texte.

Censoring prisoners' mail -- Doeberitz (LOC) Bain News Service,, publisher.
Zensur von Häftlingspost — Doeberitz (LOC)
Bain News Service,, publisher. Foto: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA

Ablauf:

Teil I: Pressefreiheit: Zensur und Strukturwandel der Öffentlichkeit

Die TeilnehmerInnen bilden Gruppen – drei Redaktionen, Chefredaktion sowie Staatsschutz – und entscheiden, was mit drei zur Veröffentlichung eingereichten Texten geschehen soll: redigieren, zensieren, den Autor rausschmeißen oder einsperren?

Diskussion und Input: Die Bedeutung der Pressefreiheit für die Meinungsbildung in der liberalen Demokratie. Kleine Geschichte der deutschen Zensur.  

Dokumente

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Pressefreiheit

„Grundsätzlich darf niemand JournalistInnen vorschreiben, was sie zu schreiben oder zu berichten haben.“

Dokumente zur Geschichte der Zensur in Deutschland

Karlsbader Beschlüsse

Foto: "British Library HMNTS 9431.h.2."
Foto: „British Library HMNTS 9431.h.2.“

Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 sahen die Überwachung der Universitäten mit Einschränkung der Lehrfreiheit und Entlassung revolutionär gesinnter Lehrkräfte sowie das Verbot von Burschenschaften vor, die Einschränkung der Meinungsfreiheit mit allgemeiner Pressezensur, die Einrichtung einer Zentraluntersuchungskommission in Mainz, die sich mit der Aufdeckung und Unterdrückung „demagogischer“ Verbindungen und revolutionärer Aktivitäten in Deutschland befassen sollte, sowie nicht zuletzt die Regelung des militärischen Einsatzes des Deutschen Bundes bei politischen Unruhen in den Einzelstaaten. Quelle: DHM

Lex Soraya

Wegen eines Berichts im Stern über die Gemahlin des persischen Kaisers Shah Reza Pahlavi sollte 1958 die Berichterstattung über Staatsoberhäupter und ihre Familien eingeschränkt werden. Ins Strafgesetzbuch sollte dieser Paragraph Eingang finden:

Wer öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schritten. Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen eine herabwürdigende Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die das Privat- oder Familienleben eines ausländischen Staatsoberhauptes oder eines seiner Angehörigen betrifft und geeignet ist, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu stören, wird ohne Rücksicht darauf, ob die Behauptung wahr oder unwahr ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft Eine Beweiserhebung über die Wahrheit der Behauptung ist unzulässig. 

Quelle: Spiegel-Online

Spiegel-Affäre

Es war der massivste Angriff auf die Pressefreiheit in der Geschichte der Bundesrepublik. Wegen „Landesverrats“ wurden 1962 sieben SPIEGEL-Redakteure verhaftet, auch Rudolf Augstein. Die Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos, Verteidigungsminister Strauß verlor sein Amt. Quelle: Spiegel-Online, Die Spiegel-Affäre.de

Cicero

2005 durchsuchen Beamte der Staatsanwaltschaft Potsdam, von LKA und BKA die Redaktionsräume des Cicero sowie die Wohnung des Redakteurs Bruno Schirra wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat. Anlass war ein Bericht der Zeitschrift über den des Terrorismus verdächtigen Abu Musab al Zarqawi mit Informationen aus Unterlagen, die als streng geheim eingestufte BKA-Dokumenten waren. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) billigte ausdrücklich die Durchsuchung. Karlsruhe entschied 2007, dass die Razzia bei der Zeitschrift Cicero gegen das Grundgesetz verstieß, da es für den Verdacht keine Belege gebe. Durchsuchungen und Beschlagnahmen seien verfassungswidrig, wenn sie allein dem Zweck dienen, die undichte Stelle in einer Behörde zu finden. Quelle: Hintergrund.de

Teil II: Pressefreiheit2.0 – Hatespeech und Lügenpresse

Die TeilnehmerInnen veranstalten zwei Pro&Contra-Diskussionen zu aktuellen Themen. Input über Produktionsbedingungen von Zeitungen und den zweiten Strukturwandel der Öffentlichkeit durch die sozialen Medien. Der Wirkshop wollen wirksam werden: Die TeilnehmerInnen legen ein Glossar wichtiger Begriffe an und erarbeiten ein Nürnberger Manifest über die Pressefreiheit in Zeiten von Hatespeech.

Pro&Contra

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Debatte 1: 
Im Zuge der Flüchtlingskrise ist der Ton in der Bundesrepublik rauer, ja hasserfüllter geworden. In den Leserbriefspalten der online-Editionen deutscher Zeitungen genau wie in den sozialen Medien häufen sich persönlichkeitsverletzende und volksverhetzende Beiträge. Mit der massenhaften Ausbreitung von Hasskommentaren gibt es Bestrebungen, die Kommentare zu regulieren. Zeitungen schalten ihre Kommentarspalten bei bestimmten Themen ganz ab. Bundesjustizminister Heiko Maas forderte Facebook auf, die Zahl und Qualität seiner Moderationen zu erhöhen. Facebook stellte daraufhin Hundert/e deutschsprachige Moderatoren ein, die Kommentare schneller löschen sollen – allerdings bei einer Partnerfirma. Die CSU hat nun den Vorschlag unterbreitet, Hasskommentare zu löschen, bevor sie erscheinen. Das ändert den Charakter sozialer Netzwerke wie Facebook vollkommen, weil jeder Post zunächst auf Freischaltung warten müsste. Der Beitrag wäre vorab technisch oder durch Moderatoren zu prüfen. „Volksverhetzende und beleidigende Begriffe müssen bereits zuvor herausgefiltert werden. Automatisch generierte Propaganda-Inhalte sind durch wirksame Plausibilitätsprüfungen auszuschließen“, heißt es in dem einschlägigen CSU-Papier. „Entsprechende Inhalte sind sofort zu löschen, Konten zu sperren und die Sicherheitsbehörden zwingend zu informieren.“

Die Diskutanten streiten Pro&Contra über die Frage: Ist die Forderung der CSU ein Aufruf zur Zensur und mit Art. 5 Grundgesetz der freien Meinungsäußerung vereinbar? 

Debatte 2: 

Der Blog Netzpolitk.org berichtete im Februar 2015 darüber, dass der Verfassungsschutz seine Internetbeobachtung verbessern wolle. „Damit soll das BfV [Bundesamt für Verfassungsschutz] in die Lage versetzt werden, Massendaten… auszuwerten und relevante Informationen zu verknüpfen.“ Netzpolitik zitierte für den Beitrag aus amtlichen Dokumenten, die als geheim klassifiziert worden waren. Daraufhin erstattete das Bundesamt beim LKA Berlin Anzeige. Das LKA übergab die Ermittlungen wegen Landesverrats an den Generalbundesanwalt, der sowohl gegen Netzpolitik als auch gegen nicht namentlich benannte Informanten aus Politik und Verwaltung wegen Geheimnisverrats zu ermitteln begann. Der Generalbundesanwalt informierte nach einiger Zeit Netzpolitik über die Ermittlungen.

Netzpolitik machte auf seinem Blog das Ermittlungsverfahren öffentlich. Es brach eine Welle der Empörung dagegen los, die Blogger wegen Geheimnisverrats zu verfolgen und sie möglicherweise ins Gefängnis zu stecken. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen rechtfertigte öffentlich das Verfahren. Im Zuge der Netzpolitikaffäre bezichtigten sich Repräsentanten verschiedener Staatsorgane gegenseitig des Versagens. Der Generalbundesanwalt wurde in den Ruhestand versetzt. Die Öffentlichkeit empörte sich über das grundlose Agieren der Strafverfolgungsbehörden und suchte bis ins Kanzleramt nach Mitwissern der Anzeige. Netzpolitik wurde als kritisches Blog einer großen Öffentlichkeit bekannt. Die Aktivisten nahmen 150.000 Euro in Spenden ein. Die beiden Blogger André Meister und Markus Beckedahl wurden nicht verfolgt und eingesperrt, sondern als Helden der Pressefreiheit gefeiert.

Die Diskutanten streiten Pro&Contra über die Frage: Kann man die Netzpolitikaffäre mit der Spiegel-Affäre von 1962 vergleichen? (Siehe Dokumente)

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