An der Odenwaldschule Oberhambach wurde seit Beginn der 60er Jahre Schülern systematisch sexuelle Gewalt angetan. Der Missbrauch, anfangs nur von einzelnen Lehrern verübt, währte 20 Jahre lang. Unter dem Schulleiter Gerold Becker, einer Ikone der bundesdeutschen Reformpädagogik, wurden der pädagogische Eros und die Pädasterie zu einer klandestinen Schuldoktrin. Zeitweise waren die Schüler einem halben Dutzend pädosexueller Lehrer schutzlos ausgeliefert. 125 Opfer sind dokumentiert, die Dunkelziffer liegt weit höher.

Bis heute, zweieinhalb Jahre nachdem die Öffentlichkeit von den pädosexuellen Verbrechen erfuhr, gibt es keinen offiziellen Bericht einer unabhängigen Kommission. Daher gilt es, weiter unerbittlich Fragen zu stellen und vor allem die Lehrer dazu zu bringen, das System Becker genauer zu beschreiben.

(Siehe auch den Vorbericht zum Altschülertreffen am 13.10. mit einem Podium am Samstag um 13:30 Uhr über den Stand der Aufklärung in der taz)

Ein Link zur radikalen Aufklärung im
zitierten Fall an der Penn State Uni in den USA, siehe hier New York Times / Penn State

Individuelle Fragen

– Wir müssen alles tun, damit die beschämten, vergewaltigten und zersetzten Alt-Schüler anerkannt und voll rehabilitiert werden. (Zum Beispiel jene, die von der Odenwaldschule Oberhambach – Oso – relegiert wurden, weil sie sich gegen das System Becker auflehnten.)

Es gibt übrigens immer auch positive Anknüpfungspunkte für die Schule: Wieso nicht in einem Schülerprojekt jenen Schülern auf die Spur kommen, die sich wehrten? Wer sind die Geschwister Scholl der Oso? Ich habe der Schule ein solches Projekt angeboten. Aber es ist nichts geschehen.

– Wir müssen die Rolle der Lehrer klären. Die Lehrer müssen sich äußern, sie müssen Fragen beantworten und selbst endlich auch Fragen stellen. Das haben sie bisher verweigert – obwohl ohne sie als Täter, Komplizen, Profiteure, Mitwisser, Wegschauer und Träumer das System Becker nicht denkbar gewesen wäre.

Ich finde es ungeheuerlich, wie sich die Lehrer aus ihrer Schuld herausschweigen und -verdrängen. An dieser Schule sind Hunderte Kinder missbraucht, Alkohol und Drogen ausgesetzt und in ihrer Würde schwer verletzt worden. Ich hätte als Lehrer höchstes Interesse daran zu erfahren, wie das Heilige Motto der Reformpädagogen – kein Kind wird beschämt – derart pervertiert werden konnte.

Institutionelle Fragen

– Wir müssen die Rolle der Reformpädagogik als Ideologie verstehen. Die Odenwaldschule war von Anfang an einen besonders stark gefährdeten Zweig dieser Pädagogik gekettet, die Landschulheim-Bewegung, die sich unter Gustav Wyneken auf die Jugendbewegung als homoerotischen Bund bezog.

– Wir müssen den Beitrag der Naiven und Heldenverehrer (unter den Lehrern) herausarbeiten: Wie groß war ihr Anteil daran, dass das System Becker entstehen und so lange Bestand haben konnte?

– Wir müssen herausfinden, woher die harten Drogen an der Schule kamen, ob die Oso bereits eine Art Päderasten-Puff geworden war und wer von diesem System wie profitiert hat. Dafür gibt es viele Indizien, aber das wissen wir alles nicht.

– Wir müssen die Rolle der Behörden und Ministerien klären. Was wussten die? Wieso wurden Anzeigen nicht verfolgt? Wie konnte es sein, dass ein Lehrer eine gut besuchte Außenstelle in der Stadt errichtete, wo Schüler gefilmt und missbraucht wurden, ohne dass die Nachbarn und lokalen Behörden dies merkten?