Kernthesen zum Kernabi (Zentralabi)
Drei Thesen zum Kernabi, mündlich gleich im MDR-Interview, zu senden heute nachmittag um 17 Uhr (ca.)
1) DAS KERNABI MACHT DAS ABI SEXY UND VERGLEICHBAR: DEUTSCHE SCHAUT AUF DIESEN ABI-TAG
Ein Zentralbitur oder zentrales Kernabitur wertet den wichtigsten Schulabschluss öffentlich auf. Das Abitur wird ein nationales Ereignis: Deutsche, schaut auf diese Abiturienten! Es würde, wie der Kommentator Timo aus dem Off unten schreibt, im ganzen Land über eine Philosophie-Aufgabe disputiert werden.
(Wie der große Pisatest Bildung ins Bewusstsein gerückt hat, würde dies auch beim großen Abi-Tag geschehen.)
2) DER SCHUL-FÖDERALISMUS BEKOMMT MIT DEM KERNABI EINEN BYPASS GELEGT: ANSONSTEN BLEIBT ER CHAOTISCH EH UND JE
Das Kernabitur als zentrale Prüfung in Deutsch, Mathe und Englisch ist noch der machbarste Weg der Zentralprüfungen: Die Kultusminister haben sich nur mit Mühe auf Standards für diese Fächer einigen können. Genau gesagt, wird es dann, wenn die gemeinsamen Abi-Standards dereinst praktiziert werden, 15 Jahre gedauert, ehe sich die Bundesländer geeinigt haben. Pardon, 15 verschenkte, vergeigte, verdaddelte Jahre.
Wozu brauche ich Kultusminister, die 1,5 Jahrzehnte brauchen, um drei Fächer auf die Reihe zu kriegen. Also: Dieser chaotische und schneckenlahme Föderalismus bekommt durch die Abiturstandards eh nur eine freundliche Fassade.
Man kann das, was hier passiert, besser Bürgerbetrug nennen: Weil sich Zentralabitur so gut anhört, machen wir das mal – aber ansonsten streiten wir uns wie die Kesselflicker. Wir Landesminister weigern uns z.B. zu sagen, wie wir die Milliarden vom Bund für den Kitaausbau und für den Hochschulpakt ausgeben. Wir haben die Chuzpe, Bildungs-Geld aus Berlin einzusacken – und es dann in die Haushalts- und Straßenlöcher zwischen Dresden und Düsseldorf, zwischen Kiel und Garmisch zu versenken.
(Und, man muss das so hart sagen: Es ist der feuchte Traum eines gymnasialen Schulrats, dass bundesweit über Philosophie-Aufgaben gestritten wird. So weit wird es nicht kommen, leider. Wir werden darüber streiten, wieso die Abi-Aufgaben in Kiel und Wanne-Eickel nicht angekommen sind. Aber nicht darüber, was Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert bedeuten kann.)
3) DEN VIELEN DEUTSCHEN RISIKOSCHÜLERN HILFT DAS KERNABI KEIN BISSCHEN
Das Zentralabitur ist auch Augenwischerei: DAS GRÖSSTE PROBLEM DES SCHULWESENS WIRD DADURCH NICHT ANGETASTET: die immens hohe Zahl an Schulverlierern, 20 Prozent (!) der 15-jährigen können nicht sinnvoll lesen!
Und für die innere Schulreform wirkt sich, trotz seiner progressiven Gehalte wie Literacy, das Kernabi eher nachteilig aus: Denn die Fokussierung richtet sich nach außen, auf zentrale Prüfungen. Und nicht nach innen, auf das Entwickeln einer neuen Lernkultur, die gerade den Gymnasien so gut täte!
[Definition: Kernabi bedeutet, dass drei Kernfächer zentral, nach gleichen Standards zur gleichen Zeit in ganz Deutschland als Abi-Prüfung vorgelegt werden. Der Rest bleibt Ländersäche. Die Prüfungen werden KOMPETENZORIENTIERT vorgenommen, d.h. man geht weg vom alten WISSENSbegriff zum modernen Lernkonzept der Literacy. Was die Kultusminisetr gerade beratschlagen sind freilich gemeinsame Abi-Standards, also gleich schwere Parameter. Niemand weiss wirklich, was das bedeutet – außer einigen Studienräten im IQB.]
P.S. Dieser Blopgpsot ist ein aufgebrühtes Ding auas dem Oktober 2011, als der Aktionsrat Bildung ein Zentralabitur vorschlug. Der Aktionsrat Bildung um den Hamburger Uni-Präsidenten Dieter Lenzen hat einen neuen Vorschlag unterbreitet: Die rührigen Professoren wollen ein zentrales Abitur etablieren – allerdings nur in drei Kernfächern. Ich habe das in der taz eher in Richtung auf die Machtlosigkeit des Aktionsrats Bildung kommentiert (Diese Löwen wollen nur spielen). Der Aktionsrat schon viele tolle Vorschläge gemacht hat, die niemand umgesetzt hat. Zuallerletzt der Auftraggeber der Studie, der vbw, der Dachverband der Bayerischen Unternehmensverbände, der mit seinem Geschäftsführer Bertram Bossardt eine stamme oldschool-Politik macht.
Deutschlandweites Kernabi? Warum denn nicht!
Deine Thesen provozieren mich. 🙂 … zu einer Antwort. (Danke für die Erinnerung über twitter)
ad 1: ja, das wäre sexy, das wäre bundesweit einend. Bundesabi wäre landauf-landab DAS Thema. Vielleicht führte das wirklich dazu, dass man durch diesen Kernabi-Tag stärker auf die gemeinsame Verantwortung schaut. Es wäre ein Mega-Instrument über das wir über Bildungsziele und Inhalte sprechen würden.
ad 2: das wäre doch gar nicht so schlecht, mit diesem „kleinen“ Bypass anzufangen. Dann kann man in den Ländern weiter-fuddeln, muss sich aber zugleich auf das gemeinsame einlassen.
ad 3: darum geht es in diesem Projekt überhaupt nicht. Sicher: hier würden dann einige Gelder hineinfließen. Gleichzeitig ist für die Förderung der Leseschwachen, der „Schulverlierer“ an den weiterführenden Schulen, für die Schulabbrecher immer noch genug Geld da. nein, sagen wir besser: es „wäre“ genug Geld da, wenn man die Prioritäten anders setzte.
Und was würde ich den Kritiker sagen,die Angst vor einem Testinstrument hätten?
wenn das Kernabi so käme, bliebe immer noch genug Spielraum für landes-, schul- und lehrereigene Vorgehen und Bewertungen übrig. Klar, hier kann dann aus testtheoretischen Gründen wohl nur angekreutzt werden. Aber so-what? – die gewünschten und vielleicht auch notwendigen Grauzonen der Bewertung könnten doch in den ganzen anderen Prüfungen weiter aufrecht erhalten werden! es geht um 10% der Abschlussnote.
(Ein Traum übrigens Frankreich, die am ersten Prüfungstag zum Zentralabitur landesweit über die Themen (!) in PHILOSOPHIE sprechen… Traumhaft.)
Es wäre -ein- kleiner Schritt hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit im Land.
leider kann ich nachher nicht anrufen. man muss ja auch mal arbeiten. Gutes Gelingen.
Ein wenig Föderalismus hat eigentlich sehr viele positive Seiten. Eine stetige Angleichung tötet auf lange Sicht eine eigene Bildungsvielfalt.