Beat Döbeli ignoriert rezensiert „Digitale Demenz“
Ich will gar nicht viel schreiben – außer über Ignoranz. Gestern bloggte und twitterte @beatdoebeli über Manfred Spitzers neues Buch „Digitale Demenz“ (Buch mit Leseprobe, Interview, Rezension), dass es einem die Sprache verschlägt.
Beat Döbeli Honegger, ein in der Szene recht gut angesehener (Hochschul-)Lehrer2.0, rechnete ein paar Mediennutzungstabellen bei Spitzer nach. Ergebnis: Mädchen nutzen nur 6 Std 10 Minuten und nicht 6:50 h TÄGLICH Netz und Medien wie TV. (Amerikanische Studie) Jungs wiederum säßen nicht 7:50 Stunden, sondern nur 7:37 täglich vor dem Bildschirm. Doebelis Schluss: Spitzers Rechenfehler „nagt einerseits an der Glaubwürdigkeit eines Autors, der fortwährend seine Wissenschaftlichkeit betont und anderen vorwirft, ungenau und oberflächlich zu arbeiten und recherchieren.“ Oder einfacher: Spitzer kann nicht rechnen, seine Thesen sind mithin gaga.
Man möchte keinem Schüler wünschen, von Leuten wie Döbeli Textkritik zu lernen. Denn selbstverständlich geht es um die Thesen, Inhalte und Behauptungen von Manfred Spitzer. Und nicht um 13 Minuten Differenz in der täglichen Nutzung. Aber zur Substanz des Textes von Döbeli kein Wort.
Nichts zu den enormen Zeitspannen, die Jugendliche heute im Netz verballern investieren, und deren Folgen. Nichts von den vielfach nachgewiesenen Veränderungen von Hirn, Konzentration, Gedächtnis – die ja, wenns passt, in der Netz-und-2.0-Community als Intelligenzsteigerungen gefeiert werden. (Vgl. Linda Breitlauchs Drehorgel in beinahe allen ihren Vorträgen) Nichts von Döbeli zu den tiefgreifenden sozialen und sexuellen Veränderungen, die aus intensiver Nahfelderweiterung durch das Netz entstehen. Nichts von den Grooming-Risiken, die durch das Netz geradezu explodieren. (siehe z.B. Robert-Konferenz in Berlin, Mai 2012)
Der Witz: Döbeli ist, bitte gut festhalten, „Dozent für Medienbildung und Informatikdidaktik„. Wer, wenn nicht er?
Pisaversteher äußerte dieses „Kein Wort zu“-Unbehagen via Twitter – und bekam Antworten von einer Scheinheiligkeit und Schlichtheit, dass er sich fragt: Darf man so verbohrte, Aufklärung und Diskurs blockierende Leute wie Beat Döbeli Honegger oder Philippe Wampfler eigentlich auf (Hoch-) Schüler loslassen? Inzwischen hatte sich auch @phwampfler eingemischt und larmoyant nach dem Motto angemerkt: Kann sein, kann aber auch nicht sein, ist eh egal:
Es ist richtig, dass wir noch nicht GANZ GENAU wissen, wie sich der Leitmedienwechsel von Gutenberg zu „digital available everywhere everytime“ auf Leben, Psyche, Lernen, Schreiben, Liebe, Politik etc auswirkt. Aber als Lehrer mit sophistischen Hütchenspielertricks zu behaupten, es gebe keine sichere Datenlage, keine Basis für den Diskurs und also, so what!, kein Problem, das ist grotesk. Und digital dement. Und ignorant. Von einer Ignoranz, die einem Lehrer nicht gut zu Gesicht steht, denn Lehrer sind zur Aufklärung da und nicht zur Desinformation.
P.S. Die ganze Absurdität der Debatte zeigt sich auch hierin, dass Freigaben von Filmen und Computergames kein Problem sind. Gleichzeitig aber werden Aufklärungsfilme und Netzbeiträge gerne altersbeschränkt. Zum Beispiel das Buch von Hüther und Pfeiffer zur „Macht der virtuellen Bilder“.
Ich habe weder gesagt, die Resultate der Untersuchungen seien „egal“, noch habe ich behauptet, es gebe kein Problem. Ich habe nur gesagt, die bisherigen Untersuchungen seien nicht genau, tief und langfristig genug für sichere Aussagen.
Alles andere ist bösartige Umdeutung meiner Aussagen.
lies einfach mal deine kommentare zur causa. und fang an zu lesen, Pfeiffer, Hüther, Wößmann, Spitzer, Robert-Studie, Tonnen präzisen (und auch unpräzisen) Materials. best ciffi
„Oder einfacher: Spitzer kann nicht rechnen, seine Thesen sind mithin gaga.“ So habe ich das NIE gesagt. Im Gegenteil schreibe ich wörtlich „Sowohl dieser Rechenfehler als auch die ungenaue Schilderung der erhobenen Zahlen machen Spitzers Aussage, heutige Jugendliche würden intensiv Medien nutzen, nicht falsch.“ Ich habe mich in meinem Blogposting NUR auf seine Arbeitsmethodik bezogen. Zu den Inhalten des Buches habe ich nichts gesagt, was aber nicht heisst, dass ich insgesamt dazu nichts sagen will.
das ist eine recht unfaire verdrehung der aussagen von sehr ernsthaften und (im gegensatz zu mir) immer gewissenhaft-unpolemisch argumentierenden leuten.
das einzige, was man Beat vorwerfen könnte: dass er sich hier zu kernaussagen ausdrücklich nicht äußert, offenbar will er das eigens später tun. er sagt nicht, dass sich durch die fehler alles erledigt hätte. (aber peinlich für den „wissenschaftlichkeits“-duktus des buchs ist es allemal!)
Beat hatte tagelang zeit zur generalthese was zu sagen. hat er nicht getan, es blieb beim erbsenzählern.
ich habe gelernt, dass man ZUERST zur Hauptsache spricht, später zu technischen, handwerklichen etc. Details.
wer nicht zur Hauptsache spricht, der weiß genau warum.
was im Zusammenhang mit Spitzer grad im Netz passiert, raubt jedem vernünftigen Diskutanten den Atem: es geht so weit, dass Spitzer sarrazenische Thesen unterstellt werden und er wird damit in die rechte Ecke gestellt. wozu? dann kann man sagen, „den muss, ja darf man nicht lesen.“ wow! das ist mal ein diskursangebot.
Sarrazin ist mir auch als erstes eingefallen. nicht, weil es „rechts“ wäre, sondern genau dieselbe ungute mischung aus großmäuligem populismus und (pseudo-)wissenschaftlicher pose, die die gegner vorab mundtot machen will. („hier habe ich meine 200 studien …“)
Dein P.S. Ist zwar ein netter Abschluss, leider völlig falsch geschlussfolgert. Dass die DVD von Pfeiffer nicht an Minderjährige abgegeben wird, liegt nicht daran, dass sie altersbeschränkt ist, sondern dass der Verlag anscheined keine Freigabe bei der FSK beantragt hat.
schöne idee. klappt aber nicht: ich kenne eine Reihe von Aufklärungsprojekten, die durch #fsk/m-Einstufungen blockiert werden. was ich aber vor allem kenne: versuche, die Leute zu veräppeln, Wie deinen Kommentar.
Dann empfehle ich dir, doch einfach das Beispiel im P.S. gegen ein besseres auszutauschen. Das tut deiner Glaubwürdigkeit bestimmt gut.
Was ist eine FSK/M Einstufung ?
Auf der Webseite der FSK ist eine solche Einstufung nicht zu finden.
http://www.fsk.de/index.asp?SeitID=508&TID=72
Auf Amazon ist die DVD von Dr. Pfeiffer als Infoprogramm gemäß Paragraph 14 des deutschen Jugendschutzgesetzes freigegeben.
Siehe Absatz 7:
http://www.gesetze-im-internet.de/juschg/__14.html