Ein paar Thesen für die Debatte mit Josef Kraus über unkündbare Versager bei ZDFlogin. Mittwoch 22:25 Uhr. (Kann man übrigens prima mitdebattieren via login; ausführlich dazu auch der Report in der FAS und ein alter, aber aktueller Kommentar aus der taz: Sind Lehrer faule Säcke?)

  1. Kleines Update aus gegebenem Anlass: Herr Kraus argumentiert, dass die Lehrer Beamte bleiben sollten, weil die Gesellschaft und ihre Kinder so wild und gefährlich geworden seien. Das hort sich bisschen so an, als wären die Unterrichtsbeamten und Studienräte so was wie der Hort der Stabilität. Lehrer als eine Art Kolonialtruppe der geschiedenen Gesellschaft.

    Ich finde, darüber sollte man reden. Nur: Was hat das, bitte, mit Schule und Lernen zu tun? Mir scheint, dass es dem Oberlehrer Kraus da eher um den Berufstatus des Lehrers und seine enorme Bedeutung für das Beamtenrecht als solches geht: Wenn Lehrer entlassen werden können oder gar keine Beamten mehr sind, dann hat das Berufsbeamtentum ein Problem. Dann sind die so genannten „hergebrachten Grundsätze“ des Beamtentums und seine anachronistischen Privilegien perdu. Das heißt, Kraus argumentiert als Standesvertreter, aber nicht als Schulleiter.

    Haben wir zu viele schlechte Lehrer?

Ja, haben wir. Aber das ist nicht die Schuld des einzelnen Lehrers, sondern das kommt von einem verantwortungslosen System der Auswahl und Betreuung des unterrichtenden Personals – dem Beamtenrecht. Es gibt wahnsinnig viele wahnsinnig gute Lehrer. Jeder weiß, wie sehr ihn/sie ein faszinierender Lehrer geprägt und den Lebensweg beeinflusst hat. Ein guter Lehrer ist alles!

Aber: Ein pädagogischer Totalversager macht eben auch viel kaputt – an sich und an Kindern. „Die sind dann 30 Jahre in ihrem Beruf unglücklich und machen dabei 30 Schülerjahrgänge unglücklich.“ Das sagt kein Lehrerhasser, sondern der Chef des Deutschen Philologenverbandes, sprich Deutschlands oberster Studienrat, Heinz-Peter Meidinger.

Studien zeigen, dass zwischen 30 und 40 Prozent der Lehrer im falschen Beruf sind. Diese Studien sind mikrosoziologische Schätzungen – der Schulleiter, die man fragt. Sie sagen, es gibt eine blockierende Minderheit von Lehrern in jedem Kollegium, die so abgegessen ist, dass sie weder am Kind noch am guten Unterricht Interesse haben. Auch objektive Untersuchungen wie die Potsdamer Lehrerstudie von Uwe Schaarschmidt belegen das: Nur 17 Prozent der Lehrer machen ihren Job gerne, sie sind glücklich, weil sie Spaß haben, mit Schülern Wissensgebiete zu erobern. Die anderen 83 Prozent teilen sich so auf: 23 von Hundert sind zufrieden, weil sie außerhalb der Schule ihr Glück finden. 30 von Hundert sind so überengagiert wie die Frau Schnabelstedt in „Fack juh Göhte“ – und sie sind genauso überfordert wie sie. Schließlich sind die restlichen 30 von Hundert Lehrern zerrüttet, sie sind unglücklich und depressiv. Diese Studie wurde für einen Lehrerverband des Beamtenbundes gemacht! Geht es objektiver?

  1. Was kann ein Schulleiter machen, der einen Versagerlehrer hat?

Ehrlich gesagt nicht viel. Es gibt zwar Instrumente, Lehrer loszuwerden oder zu versetzen. Aber diese beiden sind entweder sinnlos oder so kompliziert, dass sie praktisch nie angewendet werden.

Sinnlos – weil der gescheiterte Lehrer halt an eine andere Schule geht und dort weiter dilettiert. Das „ist eine Möglichkeit, die wirklich zynisch ist. Wenn jemand, der als Lehrer überfordert ist, die Stelle wechselt, dann muss das heißen, dass er keine Schüler mehr unterrichten sollte.“ Sagt Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen LehrerInnenverbandes.

Kompliziert bis unmöglich – weil es Entlassungen aus dem Lehrerberuf wegen pädagogischer Unfähigkeit so oft gibt wie einen Sechser im Lotto. Das Instrument ist derart anstrengend für alle Seiten, dass die meisten Schulleiter, die eine Lehrerpflaume loswerden wollen, einen inoffiziellen Weg gehen – sie mobben ihn praktisch. Das würde natürlich niemand zugeben. Aber es passiert. „Ich weiß als langjährige Personalrätin, dass es vorkommt, dass solche Lehrkräfte auch gemobbt werden, damit sie von sich aus gehen. Aber das ist kein anständiger Weg.“ Sagt die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe.

  1. Wie kriegt man bessere Leute rein? Wie integriert man Quereinsteiger?

Gute Frage, ZDFlogin. Erstens müssen Lehramtsstudenten früh auf die Fallstricke ihres Berufes vorbereitet werden. It´s the authority, stupid! Wer nicht das Format hat, eine mobbende Mittelstufenklasse auszuhalten, der soll bitte woanders hingehen. Weil die Fack-juh-Paintball-M16 von Elyas M’barek eben nicht zur Verfügung steht. Zweitens sollten Schulleiter sich ihre Lehrer selber aussuchen können, das kann nämlich absurderweise ein Rektor so gut wie nie. Schulleiter sind gar keine Schulleiter, weil sie die wichtigsten Leute für gutes Lehren und Lernen nicht aussuchen dürfen. So absurd ist deutsche Schule.

Quereinsteiger werden die deutsche Schule stärker prägen als je zuvor – also brauchen wir ein Personalrecht, was dafür taugt. Das Beamtenrecht kann das nicht sein, weil es weder die artgerechte Auswahl, das Coaching noch die Entlassung von Lehrern ermöglicht. Quereinsteiger sind, dass sagen alle, eine große Bereicherung für Schule. Weil neue Typen in die Schule kommen! Aber, man muss Quereinsteiger genauer checken können – weil da natürlich Leute dabei sein werden, die sich und ihren Job falsch einschätzen. Bis 2020 werden 60 Prozent der knapp 800.000 Lehrer des Jahres 2007 in Ruhestand sein, hat Klaus Klemm ausgerechnet. Wie soll man diese Know How-Lücke anders füllen als mit Quereinsteigern?