Bildungsmonitor: Die neueste Wissensstudie zeigt: Die Bürgerkinder gehen aus der Pisakrise gestärkt hervor. Bildungsarmut der Verliererfamilien bleibt hartnäckiges Problem
AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER
Es gibt mehr Abiturienten und mehr Studenten in Deutschland. Die Zugewinne unter den so genannten MINT-Absolventen sind sogar spektaktulär. Die Zahl dieser Hochschul-Absolventen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik hat sich seit dem Jahr 2000 beinahe verdoppelt (auf knapp 100.000). So steht es im Bildungsmonitor, der pisaversteher exklusiv vorliegt.
Trotz dieser guten Nachrichten bleibt das Zeugnis für das deutsche Bildungswesen vermischt. Denn auch der Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, (hier der Monitor aus 2011) der am heutigen Mittwoch in Berlin vorgestellt wird, bestätigt die dauerhafte Schlagseite des Zukunftsparameters „Bildung“: Die Bundesländer tun sich schwer damit, die Zahl der Bildungsverlierer entscheidend zu verringern.
Der Befund zieht sich durch alle Teilbereiche des Bildungswesens. Egal, ob darum geht, die Zahl der Lese- und Rechenschwachen zu reduzieren, den Anteil der Kinder von Hauptschülern in den Kitas zu erhöhen oder harte Kerne der Bildungsarmut in Bremen, Hamburg oder Berlin aufzulösen. Die Politik kommt bei ihrer wichtigsten Aufgabe, den Pisaschock aus dem Jahr 2001 zu überwinden, nur im oberen Segment des Bildungswesens gut voran. „Gegenüber dem Vorjahr konnten besonders starke Verbesserungen in den Bereichen Akademisierung und MINT, Inputeffizienz, berufliche Bildung und Internationalisierung erreicht werden“, loben die Gutachter des Kölner Instituts der Wirtschaft in der Zusammenfassung ihres 260-Seiten-Berichts.

Insgesamt verbesserten sich laut dem Bericht zwischen 2012 und 2011 die Bundesländer bei der Akademisierung um neun Punkte, in der effizienten Verwendung der Mittel um 5,8 Punkte. Die Schulqualität steigt indes gar nicht, die Integration nur um 0,7 Punkte und die Bildungsarmut verringert sich lediglich um 1,5 Punkte.

Armutsgefährdung Alleinerziehender
Daher warnen die Autoren der Studie auch, dass beim Abbau der Bildungsarmut wichtige Einzelschritte nicht erreicht werden. Es sei zum Beispiel besonders zu kritisieren, „dass die Ausbauziele der Bundesregierung in der Betreuungsinfrastruktur für Unterdreijährige nicht erreicht werden dürften.“ Das sei aber entscheidend etwa „für die Armutsgefährdung der Familien von Alleinerziehenden.“ Nach Berechnungen des Instituts der Wirtschaft könnte die Anzahl armutsgefährdeter alleinerziehender Mütter um 50.000 sinken, wenn der Kitaausbau gelinge. Der Bildungsmonitor wird seit 2004 erhoben. Er beobachtet nicht den Status, sondern die Dynamik von Verbesserungen im Bildungssystem.

Exemplarisch lässt sich die gespaltene Entwicklung am Bundesland Bremen verdeutlichen. Der Stadtstaat steht für miserable Pisaergebnisse im unteren Bereich. Nirgends ist die Zahl der Risikoschüler so hoch wie in Bremen, sie lag zeitweise bei 39 Prozent unter den 15jährigen. Nun weist das Land spektaktuläre Verbesserungen auf – im oberen Segment. Gut ist Bremen bei der Einwerbung von Drittmitteln, der Habilitation von Professoren oder der Quote von Studienberechtigten, die binnen nur eines Jahres um 2,2 Prozentpunkte auf knapp 38 Prozent gesteigert werden konnte.
Der Monitor nennt Bremen daher „ein Bundesland der Extreme“, das Stärken in der Akademisierung und Forschungsorientierung aufweise. Verbesserungsbedarf bestehe weiterhin „bei der Bekämpfung der Bildungsarmut und der Sicherung der Schulqualität.“ In beiden Bereichen liegt Bremen im Vergleich der Bundesländer auf dem letzten Platz. „Damit bestätigen sich die Schlussplatzierungen bei früheren Pisa-Tests“, heißt es in dem Bericht.
Bremen: Akademikerschmiede – und Bildungsverlierer
Da stößt es freilich umso bitterer auf, dass das Bundesland gleichzeitig als „wichtige Akademikerschiede Deutschlands“ und bedeutsamer Ort der deutschen Hochtechnologiebranchen gefeiert wird. „Kein anderes Bundesland hatte einen solch hohen Anteil an Hochschulabsolventen in Mathematik/Informatik/Naturwissenschaften.“ Oder mit anderen Worten: Bremen ist sehr erfolgreich darin, Akademikerkindern gute Chancen zu bieten – und schwach bei der Hilfe für Bildungsverlierer.
Ähnlich sieht es bei der Analyse der vorschulischen Bildung aus. Die Kölner Gutachter beobachten große Unterschiede beim „Kindergartenbesuch in Abhängigkeit vom Bildungshintergrund der Mutter“. So schicken ein Drittel der Mütter ohne Abschluss ihr Kind nicht oder nur ein Jahr in den Kindergarten. Bei den Müttern mit Hochschulexamen ist das ganz anders: Nur 11 Prozent geben ihren Nachwuchs gar nicht oder nur ein Jahr in den Kindergarten. Das heißt: „Von den positiven Effekten des Ausbaus der frühkindlichen Föderinfrastruktur konnten Kinder aus bildungsnahen Haushalten stärker profitieren als Kinder aus bildungsfernen Haushalten“.
