Wie sich meinunterricht.de von der digitalen Loselblattsammlung zu einem onlinen Pool an Materialien und Konzepten entwickeln soll
Das bemerkenswerteste der Pressekonferenz zu meinunterricht.de war vielleicht dieses Bekenntnis: „Das ist ein Riesensprung nach vorne in der Qualität der Versorgung von Lehrern mit Lernmaterialien.“ Es kam vom Vorstandsvorsitzenden der Klett-Gruppe, Philipp Haußmann. Es war deswegen so besonders, weil sich Klett damit hinter das Experiment stellte, Lehrer online mit Unterrichtshilfen, Lernmaterialien und Arbeitsblättern auszustatten.
Ich will nicht die PK wiedergeben, seht Euch die beiden Rezensionen an, die zwei LehrerInnen über die Ausrüsterplattform in der taz geschrieben haben, @tastenspieler (André Spang) und aka Stefanie Wahler. Prinzipiell ist es ja keine Plattform, sondern eine Blattform, eine Loseblattsammlung in PDF-Format. Darüber könnte man jetzt lästern, aber in Wahrheit muss man wohl sagen: Der Unterschied in der Wahrnehmung und in der Praxis des Lehrens und Lernens macht es schwer, eine Prognose über meinunterricht.de abzugeben.
Haben der tapfere David Klett und seine beiden Mistreiter Stefan Appelhans und Benjamin Wüstenhagen da viel Arbeit (Ein 13-Menschen-Jahr) in ein Projekt gesteckt, das vielleicht niemals aus dem Knick kommen wird? Oder ist das der erste Schritt in die richtige Richtung, weil nach den PDFs das App kommen wird, die anderen elektronischen Formate, die kollaborativen Foren, die dann alle zusammen wirklich eine Plattform ergeben? Und wann das alles? Darüber konnten die Macher von meinunterricht begreiflicherweise nichts sagen; zu komplex ist das Programmieren von App etc, als dass man sich verkünden traute: Es dauert noch so oder so lange, bis die Etappen App, Whiteboard-Elemente, Wiki etc folgen.
Interessant war die mantrahaft wiederholte Bemerkung, dass es einen kategorialen Unterschied gebe. Zwischen, erstens, den Schulbüchern nämlich, die klassensatzweise in der Schule verteilt werden, und, zweitens, den Lermaterialien, die sich die Lehrer zulegen, um ihre Schüler besser befeuern zu können, wie die tolle Stefanie Wahler in ihrer Rezension schrieb. „Sie bringen das immer durcheinander!“ So hieß es. Aber: Wieso ist das eigentlich so ein riesiger Unterschied? Die Arbeitsblätter, die sich die LehrerInnen bei meinunterricht downloaden, gehen doch wohl auch in die Hände der SchülerInnen, um bearbeitet zu werden? Und ist es nicht so, dass Lehrer aussuchen, welche Bücher die Eltern für ihre Schäflein besorgen? Vollends verrückt wurde es dann, als Vorstandsboss Haußmann sagte, man könne eh nichts mehr vorhersagen, „was passiert denn zum Beispiel, wenn der iAuthor einschlägt?“
Die andere Kategorie
Aber ist hier nicht die wirkliche andere Kategorie? Das Schulbuch und die Arbeitsblätter werden quasi von außen in die Klassenzimmer hineinpubliziert. Das vereint sie mehr, als dass es sie trennen würde. Das iBook aber geht genau in die andere Richtung, es wird von den Schülern zusammen mit der Unterstützung der Lehrer aus dem Klassenzimmer hinaus publiziert: Das ist nun die neue Dimension – und das Faszinierende: wenn Schüler ihr Power spüren, so etwas wie Wissen selber herzustellen oder wenigstens neu zu arrangieren, also Versatzstücke durch den einzigartzigen Filter IHRER Kreativität zu gestalten und mit Hilfe digitaler Gadgets und in den basalen gängigen Formaten Text, Ton, Foto, Film zu präsentieren.
Da hilft vielleicht ein kleiner Exkurs, um zu zeigen, wie die neue Qualität des Lernens mit 2.0Tools aussehen könnte – und wie sehr die übliche Schul- und Unterrichtsorga mit all ihren Eigentümlichkeiten blockierend wirkt. Als Exempel soll eine Museumsprojekt1.0 dienen, ein klassisches fächerverbindendes Thema, das antike Griechenland, mit Exkursion in das Alte Museum Berlins mit seiner atemberaubend schönen Rotunde und all den Skulpturen und Vasen etc. Die Idee war, dass die Schüler der sechsten Klasse sich das Museum selbst erarbeiten, dass sie in kleinen AGs sich das Museum und die Sujets gegenseitig aufbereiten. Das daraus ein Katalog, ein gedrucktes Buch also entsteht, mit eigenen Texten und Bildern. Und so begab es sich, dass plötzlich, natürlich, Computer im Klassenzimmer herumstanden, zusammengeschnorrt von den Eltern, und es ein Problem gab: Klar, mit dem Schleppi lassen sich die Sachen besser collagieren. Nur, ein Dutzend Laptops, das sind mehr als ein Dutzend Marken, Programme, Versionen. Also standen am Ende die armen Lehrerinnen mit USB-Sticks im Klassenzimmer herum und versuchten, die Geräte zusammen zu stöpseln.
e/iBook mit Videos
Da fragt man sich natürlich als Besitzer eines Tablets mit Foto-, Scan-, Tippfunktion samt einer eBook-App: was soll das denn? Alles ans Tablet gesandt und mit den Apps wie Bildbearbeitung und Book Creator verschweisst. So kann jede AG, eigentlich jeder Schüler schnell und einfach sein ganz eigenes eBook basteln. Und: mit iBooks Author könnte man sogar ein iBook bauen – mit Video, Ton, Galerien etc.
Zurück ins K-Lab nach Neukölln. Dort sagte CEO Philipp Haußmann, die Branche verstehe das iBook als Angriff auf die Branche, weil in die Herstellungs- und Wertschöpfungskette eingegriffen werde. Plötzlich wurde der zunächst etwas müde wirkende Firmenboss hellwach und schnitt scharfe ökonomische Modelle vor den Augen der Zuhörer: Zwischem dem Produzenten und dem Kunden stünde quasi nichts mehr. Er hielt inne. Genau: Und der Produzent ist auch ein anderer. Der Schüler und sein Lehrer. Und wie das alles machbar ist, welche Tablet-Projekte es gibt, welche Apps die besten sind, wie man die Systeme zusammenschneidet, das alles holt er sich aus den Arbeitsblättern, die er – bei meinunterricht.de herunterlädt.