Das Volk hat entschieden. Studiengebühren sollen in Bayern nicht sein. So sehen es beinahe 15 Prozent der bayerischen Wähler. Dagegen kann man nicht so leicht an. Gleichwohl lohnt es, genauer hinzuschauen, wie die Bildungsvolksabstimmungen in der Regel ausgehen: das Volk sind die Gebildeten, Reichen und Akademiker – die für ihre Interessen kämpfen und ihre Privilegien durchsetzen. Mit Demokratie hat das erstmal nix zu tun. Die ist auch an Inhalte wie Gleichheit, Freiheit, Bürderlichkeit gebunden und nicht bloß an Verfahren und Quoren.
Es steckt eine Ironie im bayerischen Votum: Diejenigen, denen es gut geht und die es sich locker leisten könnten, 83 Euro Studiengebühren monatlich zu zahlen, sie bekommen jetzt das Studium geschenkt. Das ist kein kleiner Karrierevorteil, den Friseurinnen, Arbeiter und Leute aus der niedrigen sozialen Herkunftsgruppe, wie sie im Soziologenchinesisch heißt, den Akademikern, Beamten und Selbständigen verschaffen. Denn aus ihren Steuergeldern werden die Unis zwar mitbezahlt, auf die ihre Kinder aber nur im seltensten Fall kommen. Wer studiert, hat später das x-fache an Gehalt und mehr Gesundheit und ein längeres Leben und und und.
Putsch der Eliten
Nein, das ist kein Neid, sondern eine sehr fundamentale Gerechtigkeitsfrage – die man empirisch gut belegt aufwerfen kann. Es ist nicht das erste Mal, dass das Volk gegen seine Interessen votiert. In Hamburg volksabstimmten vor zwei Jahren die Schönen und Reichen die sechsjährige Grundschule weg – ganz demokratisch natürlich kam dieser „Putsch der Eliten“ daher. (Freitag) Marcel Helbig und Benjamin Edelstein zeigten sehr gut, wie elitär-demokratisch die Abstimmung in Hamburg in Wirklichkeit verlief.
Die „studiengebührenfreie Republik“ ist nicht gerecht
Das ist keine Kritik am Bürgertum, das seine Rechte durchsetzt, wie es eben kann. Es geht nur darum, den Privilegierten die großen Worte aus dem Mund zu nehmen, mit denen sie ihre eiskalte Interessenpolitik camouflieren: Gerechtigkeit zum Beispiel. Weder Hamburgs noch Bayerns Volksabstimmungen haben etwas mit Gerechtigkeit zu tun und schon gar nicht mit Brüderlichkeit. Denn die „studiengebührenfreie Republik“ (Kai Gehring) ist nicht gerecht, sondern wahnsinnig ungerecht, solange Abitur und Studienzugang nur bestimmten Gesellschaftsschichten wirklich offen steht.
Auch wenn Abitur und Studium jeden wirklich offen stehen würden ist ein Gratisstudium auf Staatskosten ungerecht, solange andere Menschen für vergleichbare Qualifikationen zahlen müssen.
Das Studium erlaubt den Zugang zu gut bezahlten Arbeitsplätzen, wer als Arbeiter vergleichbar verdienen will muss sich auf eigene Kosten zum Meister fortbilden – was je nach Handwerk bis zu 8000 €uro kosten kann.
Ist es zu viel verlangt, das die Länder die Kosten für einen Meisterkurs vollständig übernehmen sollten ? Bislang halten die hohen Kosten der Kurse viele Facharbeiter vom Erwerb des Meisterbriefs ab.
Ist es zu viel verlangt, das die Berufsschulen zumindest den leistungsfähigeren Schülern die Möglichkeit bieten sollten durch zusätzlichen Unterricht zur normalen Berufsschule die Fachhochschulreife zu erlangen ? Damit würde nach einer Berufsausbildung zumindest für die Besten der Zugang zum Studium erleichtert.