Die Zahl der Schulen mit Tabletklassen hat sich sprunghaft erhöht. Aber die Bundesländer unterscheiden sich stark.

Was nach Corona an den Schulen in Sachen Digitalisierung stattgefunden hat, waren nicht etwa zwei Schritte nach vorne. Das ganze Schulwesen machte in Wahrheit zwei Riesensätze in die digitale Welt. Allerdings unterscheiden sich die großen Bundesländer erheblich, wie eine Forsa-Umfrage des VBE zeigt.

Im Jahr 2020 hatten zwei Drittel der deutschen Schulen keinen Klassensatz Tablets oder Laptops.

Im Jahr 2023 war nur noch jede zehnte Schule ohne Klassensätze digitaler Endgeräte. Dahinter kann eigentlich niemand zurück.

Stand der Digitalisierung der Schulen: nur zehn Prozent haben keine Tabletklassen

Hinter dieser vermeintlich simplen Botschaft stehen mindestens drei Fragen:

  • Warum sind die Unterschiede zwischen den großen Bundesländern so groß?
  • Wann haben alle Schulen Tablets oder Laptops?
  • Was sagt das alles über die Digitalisierung der Schulen aus?
1) Warum sind die Unterschiede zwischen den bevölkerungsreichsten Bundesländern NRW, Baden-Württemberg und Bayern so groß.

Dieser Vergleich ist vielleicht der überraschendste der Umfrage: wie konnte es Nordrhein-Westfalen gelingen, vier mal so viele Tabletklassen wie Bayern zu erreichen? Immerhin sind die Bayern der ewige Klassenbeste im Schul-Zehn-Kampf. Und nun das: in Bayern gibt es im Jahr 2023 nur acht Prozent Tabletklassen – in NRW angeblich 33 Prozent.

Ein Drittel der Schulen hat Tabletklassen: NRW weit vorn. Bayern stagniert

Ich befürchte, dass man an dieser Stelle der Umfrage von Forsa nicht trauen kann. (Immerhin war schon die Fragestellung, welche Schule Klassensätze an Smartphones habe, sehr weird überraschend.)

Aber es gibt einen Hinweis, der die Empirie des Ländervergleichs Bayern, BaWü und NRW plausibel machen könnte: Bayern setzt auf Exzellenz von Pionierschulen. NRW hat seine Schulen mit Hilfe eines Arme-Staaten-Programms der EU aufgerüstet.

In Bayern existiert ein Programm, wonach 250 Schulen das Lernen der Zukunft testen sollen – in diesen Einrichtungen wird eine umfassende pädagogische Transformation getestet. Dort werden übrigens auch die Eltern (und nicht die EU) für die Tablets mit zur Kasse gebeten.

NRW ist einen anderen Weg gegangen: dort beantragte man für alle armutsbedrohten Regionen des Landes (das sind einige) Zuschüsse aus der React-EU-Initiative – jenes Programm, aus dem auch Suppenküchen in Bulgarien gefördert werden. Dieses weit gestreute Tablet-Kauf-Programm in NRW kostete 184 Millionen Euro und dürfte die hohe Rate an einem Drittel von Schulen begründen, die komplett mit Tablet-Klassen ausgestattet sind.

2) Wann gibt es keine Schule ohne Tablets mehr?

Das kommt drauf an – ob der Digitalpakt II funktioniert oder nicht. Dass er zustande kommt, daran kann eigentlich kein Zweifel bestehen. Außer, die FDP vergisst sich komplett. Wer den Digitalpakt II jetzt stoppt, der zerstört die Digitalisierung, die seit 2019, vor allem aber seit dem Coronajahr 2020 stattgefunden hat. Nein, eigentlich zerstört er die Zukunft von Schulen.

Für den Grad der Digitalisierung sind tatsächlich die Tablets bzw. Laptops das richtige Lackmuspapierchen: an der Zahl und der Umgangsart mit den Tablets kann man ablesen, wie die Digitalisierung der Schulen läuft. Denn die Tablets sind – WLan, SmartBord, ChatGPT hin oder her – das entscheidende Kulturzugangsgerät. Im Zweifel kann man ein Tablet ohne WLan betreiben. Aber ohne das Tablet geht gar nix in Sachen Digitalität – auch nicht große Sprachmodelle wie ChatGPT, auf das Schülerinnen und Schüler unbedingt vorbereitet werden müssen.

3) Was sagt das über die Digitalisierung der Schulen aus?

Der Digitalpakt und die Tablets sind Phänomene an der Oberfläche eines mehr oder weniger dysfunktionalen föderalen Systems. Im Grunde wurde fünf Jahre lang Unsinn über den Digitalpakt geschrieben. Weder sind die Mittel so schlecht abgeflossen, wie seit dem Jahr 2021 gebetsmühlenhaft behauptet wird. Noch sind diese Mittel plötzlich im Jahr 2023 wie ein Tsunami in die Schulen hineingeströmt.

Der Grund für diesen Boom abfließenden Geldes war allein der: die Bundesländer begannen, aus politischen Gründen zu behaupten, die Digitalpakt-Mittel seien schon weg – weil sie frisches Geld wollten.

Das wahre Problem ist die absurde Vorstellung, dass die inneren und äußeren Schulangelegenheiten in Zeiten der Digitalität noch die gleichen sein könnten wie zu Zeiten des Alten Fritz. Die Kommunen sind als Schulträger für den Bau und die Ausstattung der Schulen mit Stühlen, Tafeln, Kreide usw. zuständig – äußere Angelegenheiten. Die Länder bezahlen die Lehrkräfte und sind für die Lehrpläne u.a. pädagogische Fragen verantwortlich – innere Angelegenheiten.

Die Kommunen wären finanziell hoffnungslos überfordert, wollten sie die Schulen alle paar Jahre mit neuen Tablets ausstaffieren.

Das war völlig okay so. Aber im Zeitalter der Digitalisierung ist diese Arbeitsteilung nicht mehr sinnvoll. Denn die Kommunen, sprich die Schulträger, wären finanziell hoffnungslos überfordert, wollten sie die Schulen alle paar Jahre mit neuen Tablets, Laptops und so weiter ausstaffieren. Um das aber zu ändern, müsste man die kommunalen Finanzverfassungen in 16 Bundesländern überarbeiten. Viel Spaß dabei!

Das bedeutet: Schulen ohne Tabletklassen werden nicht verschwinden. Denn die Kommunen werde nie genug Geld für Tablets für alle haben.

Und wir dürfen uns noch auf etwas anderes freuen: der föderale Streit zwischen Bund und Ländern wird nicht etwa enden, sondern zu einem großen Kladderadatsch. Ab sofort streiten drei Parteien: Bund, Länder – und Kommunen.