Thomas Haubner, Gründer des Arbeitsblatt-Generators Tutory, über Möglichkeiten von KI-Sprachmodellen für Contentproduktion – und ihre „gefährlichen Tücken“

1) Herr Haubner, Tutory ist ein digitales Template, das es Lehrerinnen ermöglicht, Arbeitsblätter zu erstellen. Warum brauchen Lehrer sowas?

Es gibt sicherlich viele Situationen in denen analoges Unterrichtsmaterial das Mittel der Wahl darstellt. Und tutory unterstützt Lehrkräfte konkret dabei, eigenes Material schnell und mit ansprechenden Ergebnissen herzustellen. Das geht sowohl in der Form des ausgedruckten PFDs – als auch in HTML-Form, sodass es Schüler digital ausfüllen können. Lehrkräfte können mit tutory vor allem das Layouten stark beschleunigen. Dafür bieten wir vorgefertigte Bausteine, wie Lückentexte, Sortieraufgaben, Wortsuchrätsel und so weiter. Auch Lösungen werden direkt hinterlegt und für Tests können an jedem Baustein Punkte vergeben und zusammengezählt werden. Es ist alles da, was ich für ein klassisches Arbeitsblatt brauche.

2) Hilft ein Sprachmodell wie ChatGPT Tutory – oder zerstört es ihren Arbeitsblatt-Generator?

Die KI stellt für unser Tool geradezu eine Droge oder einen Katalysator dar. Bisher werden die Inhalte, die dann über unseren Arbeitsblatteditor in Form gebracht werden, von den Lehrern selbst erdacht und eingetippt. Jetzt hilft die KI dem Lehrer sowohl mit Kreativität als auch mit Schreibarbeit und entwirft vollständige Bausteininhalte – die dann in Tutory in Form gebracht werden. Der Unterschied zu anderen Tools ist, dass ich als Lehrkraft meine Inhalte sehr genau auf ein gut gefülltes und kompaktes Arbeitsblatt hin zuschneiden kann. Der Großteil der Lehrer arbeitet so. Man mag das belächeln, aber das sind auch diese Kleinigkeiten, die im Lehreralltag eine große Rolle spielen. ChatGPT und Tutory sind für Lehrkräfte ein Dream-Team.

3) Was bedeutet ChatGPT für Ihr Geschäftsmodell?

Für uns ist die KI in ihrer Ausprägung von generativen Sprachmodellen ein echter Glücksfall. Wir sind eine Softwarefirma und erstellen keine eigenen Inhalte. Das ist einfach nicht unser Kompetenzbereich. Für guten Content brauchen wir also Partnerschaften oder sogar eigene Redakteure. Aber das ist kostspielig, aufwendig und langwierig einzurichten. Die KI gibt uns bzw. den Lehrerinnen und Lehrern jetzt die Möglichkeit, ganz leicht, schnell und sogar kostengünstig, bestimmte Inhalte zu erstellen.

Aber das hat auch gefährliche Tücken: Für komplexe und professionell didaktisierte Inhalte sind KIs wie ChatGPT längst nicht eingerichtet. Denn diese Modelle wurden – einfach gesagt – mit dem Internet trainiert und nicht mit qualitativ hochwertigen Lerninhalten, die im besten Fall fachlich reflektiert und bewertet wurden. Einen einfachen Sachtext, eine Vokabeltabelle, vielleicht auch eine kleine Erzählung, die übersetzt werden soll; alles kein Problem. Aber das, was Schule und gutes Lernen ausmacht, nämlich die didaktische Gestaltung und Aufbereitung des Materials zu hochwertigem Lehrstoff, das kann ChatGPT aus meiner Sicht noch für eine lange Zeit nicht. Die Didaktisierung von KI-Content bedeutet deutlich mehr Arbeit und Zeit, als uns schnelle Textproduktionen weißmachen. Damit sage ich nicht, dass die Arbeit mit diesem Sprachmodell nicht auch einigen Aufwand abnimmt und obendrein viel Spaß machen kann. Man muss sich einfach herantasten.