Die WamS berichtete, die Noten, insbesondere beim Abitur würden sich dramatisch verbessern.
„Das Abitur ist heute leichter als früher. Es wird einem geschenkt, es ist nicht mehr so viel wert wie noch vor zehn, zwanzig, dreißig Jahren.“
Als Beispiel wird die Zunahme von 1,0-Abituren genannt. In Nordrhein-Westfalen habe es 2006 die Note 1,0 nur 421-mal gegeben. 2012 aber bereits 1200-mal. „Innerhalb von sechs Jahren hat sich die Zahl derjenigen mit Höchstnote damit fast verdreifacht“. Ähnlich sei die Lage in Berlin. 2002 gab es 17 Bestnoten. 2012 waren es 234. In der FAS hieß es gleichzeitig, von 2006 bis 2012 sei die Zahl an 1,0-Abis um 40 Prozent gestiegen. Inzwischen dreht auch der WDR die Geschichte nach. Und twittert, das Abitur werde immer leichter vergeben.
Ich will den Zahlen der Kollegen im Bezug auf die 1,0-Abis nicht widersprechen. Ich finde nur, dass sich aus diesen insgesamt wenigen Superabis keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, ob das Abi insgesamt leichter geworden ist. Einen Trend zur dramatischen Verbesserung der Abiturnoten gibt es jedenfalls nicht. Das geben die offiziellen Zahlen der KMK nicht her, die ich gestern angefordert habe und die jeder Interessierte unten selbst überprüfen kann.
Der deutsche Abiturdurchschnitt – um mal die wichtigste Kennziffer zu nehmen – hat sich demnach seit 2006 (bis 2012) von 2,51 auf 2,43 verbessert. Eine Verbesserung um drei Prozent in sechs Jahren. Das ist, ehrlich gesagt, keine Noteninflation, das ist bleierne Stabilität.
Und hierin liegt meines Erachtens der Clou und zugleich der Unsinn an der Notendebatte. Denn sie sagt nichts aus – weil Noten nichts aussagen. Die Noten bleiben stabil – während in der Bildungsrepublik seit Pisa ein Erdbeben stattfindet: Schulformen verändern sich, die gymnasialen Zuwachsraten sind enorm, die Hochschulen werden überrannt usw. usf. Aber das Radargerät Note zeigt nichts davon an.
Pisaversteher hat zur Notenkakophonie, und was die mit den wichtigen Veränderungen im Bildungssystem zu tun hat, ein Stück für den Freitag geschrieben. Gibts am Donnerstag – am Kiosk.
Man kann die Zahlen aber auch anders deuten: Da es 2012 deutlich mehr Abiturienten als 2006 gibt, haben offensichtlich deutlich mehr schwächere Schüler das Abitur bestanden. Da der Notendurchschnitt gleich bleibt, muss das Abi also leichter geworden sein. Davon profitieren dann vor allem die Spitzenschüler.
Nein, das kann man nicht so machen wie sie: denn ich habe nicht absolute, sondern relative Werte genannt. Deswegen ist ihre Deutung nicht möglich.
Es gibt bei der Debatte ja Grundannahmen, auf der vor allem die Aussagen der Kultusbürokratie basieren.
1. Noten sagen etwas über Leistung aus
2. Die Leistungsanforderungen durch zentrale Prüfung sind mindestens die gleichen wie vor dem „Pisaschock“
Dummerweise hängen beide Aussagen auch noch irgendwie zusammen.
a) Ich kann ja bessere Leistung dadurch bauen, dass ich das Niveau absenke.
b) Ich kann das Niveau und die Unterrichtsqualität gleichzeitig anheben.
c) Ich kann die Unterrichtsqualität anheben.
d) Ich hebe das Niveau an.
Die Schlussfolgerungen bei stagnierenden Noten werden bei a-d jeweils ganz anders aussehen. Aber die Messung an Noten alleine ist immer Murks.