Eine kurze Geschichte über Barbara B.

Als ich einmal meinen Sohn, er war damals vielleicht vier, mit in die Redaktion brachte, war das ein heikler Moment. Ich sollte irgendwas schreiben oder Telefonate führen oder beides, und weil wir Journalisten uns immer so furchtbar wichtig nehmen, weil alles so schnell und bedeutend sein muss, was wir herstellen, machte ich mir Sorgen: was würde Robert so lange machen? In der Redaktion sagten manche Kolleg*innen freundlich Hallo, andere nahmen kaum Notiz von dem Knirps. Aber Du hast sofort gefragt, wie er heißt, wie es ihm geht, was er hier mit dem Papa denn mache. Und dann improvisiertest Du. Und erschufst im taz-Inland in wenigen Minuten einen Spielplatz. Robert beschäftigte sich mit allem möglichen, er malte auf Deinem Tisch, spielte mit Dir Ball, erkundete unter Deiner Anleitung den Berlinteil und so weiter. So ging das stundenlang, keine Ahnung, woher Du die Zeit genommen hast. Der Junge war so glücklich, als wäre ich im Humboldthain mit ihm Eis essen. So bist Du gewesen, Barbara: immer ein bisschen engagierter, herzlicher und liebenswerter als viele um Dich herum. Wo Du warst, da war was los. Du warst hinreißend. Als wir nach Hause gingen, erzählte Robert die ganze Zeit von Dir. Seitdem wollte er immer mit, wenn ich in die taz ging.

Ich erinnere mich, wie wir einmal zusammen von der Leipziger Buchmesse zurück fuhren. Wir hatten unsere Bücher vorgestellt, ich besorgte eine Flasche Rotwein und ein paar Pappbecher für die Zugfahrt nach Berlin. Du fandest, dass Barolo auch nicht so schlecht schmeckt, und ich musste mich beeilen, dass ich mir nochmal nachschenken konnte.

Morgen fahre ich in die andere Richtung, Barbara, um Dich mit anderen irgendwo in Sachsen zu begraben. Ich würde einiges darum geben, dass Du mir ein Gläschen abnimmst. Ruhe in Frieden.

Barbara Bollwahn, geb. 1964, starb im Juli in Berlin.