Privatschulen sind öffentliche Schulen. Dennoch nennt das Grundgesetz sie Ersatzschulen: „Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen“.
Das prägt diese Schulform – und ist ihr Kreuz.
Private Schulen sind auf unheimliche Art besonders. Sie umweht der Odem des Klandestinen, des Abgeschlossenen und der unerfüllten Sehnsucht. Studien zeigen, dass viele Bürger ihre Kinder auf eine private Schule schicken würden.
Zugleich erscheinen Privatschulen schnell als etwas Verabscheuungswürdiges – weil sie die Bevölkerung spalten.
Diese Angst stammt aus Grundgesetz: Wenn „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“, sind Privatschulen nicht zuzulassen.
Staatliche Gymnasien haben den gleichen Sonderungsfeffekt haben – drei Viertel ihrer Schüler kommen aus der oberen Dienstklasse. Das weiss man aber nicht.
Adolf Hitler ließ die privaten Schulen als Hort des Widerstandes aufheben. Deswegen schrieben die Verfassungsväter die Privatschulen ins Grundgesetz – als Grundrecht.
Die Kulturhoheit liegt bei den Ländern. Weil das Grundgesetz erst nach der Konferenz der Kultusminister begründet wurde, kam es nie zu einer sozialen Absicherung dieses Grundrechts. Die Länder haben es vergessen.
Deswegen haben Private Schulen ein Finanzierungsproblem. Sie tragen dazu bei, dass der Staat die Schulpflicht überhaupt gewährleisten kann. Sie kommen den Staat billiger als seine eigenen Schulen.
Private Schulen tun sich schwer, ihre Lehrer zu finanzieren. Oft sind ihre Pädagogen aber interessanter – weil sie aus Überzeugung an reformerisch eingestellten Schulen arbeiten.
Der Staat als Lehrerbildner hat versagt, genug Lehrer auf den Markt zu bringen. Nun wirbt er sie tausendfach von Privaten Schulen ab. Das kann zu einer existentiellen Bedrohung werden – für die privaten und Freie Schulen.
Private Schulen waren schon immer ein Hort des Bewahrens. Dafür stehen konfessionelle Schulen und konservative Internate. Die ersten Schulen überhaupt waren ja privat.
Sie waren aber genausoviel ein Ort des Experimentierens. Die ersten Reformschulen waren Privatschulen. Sie können sich besser entwickeln.
Vielleicht ist also die Digitalisierung eine Chance für die Privatschulen. Es könnte sie für moderne Lehrer interessant machen.
>Diese Angst stammt aus Grundgesetz
Ach, ich weiß nicht, ob das bekannt genug ist, um Angst zu erzeugen. Aber die Angst ist wohl da, ja.
>Studien zeigen, dass viele Bürger ihre Kinder auf eine private Schule schicken würden.
Wenn es mehr davon gäbe? Wenn sie billiger wären? Wenn sie keine Angst hätten?
Adolf Hitler in der Bildungspolitik: Mag ich als Argument nicht. Zu oft hörte ich von Schulpflichtsgegner, dass er ja die Schulpflicht eingeführt habe. Falsch, aber vor allem: irrelevant.
>Private Schulen tun sich schwer, ihre Lehrer zu finanzieren. Oft sind ihre Pädagogen aber interessanter
Hmja. Es gibt sehr verschiedene Privatschulen. Von staatlich anerkannten kirchlichen Schulen, die sich von den staatlichen oft nur wenig unterscheiden, bis zu staatlich genehmigten, die mehr Freiraum haben, aber keine Abschlüsse verleihen. Irgendwo dazwischen sind auch die, an denen ich jemand kenne: reiche Schnösel, die zum Abitur getragen werden, mit hohem Lehrerumsatz schon immer – wer eine Stelle beim Staat kriegt, geht lieber zu diesem. Aber gut, dieses Finanzierungsproblem ist ja auch dein Ausgangspunkt.
Mein Kommentar zeigt zwar auch nicht das ganze Spektrum, aber wenigstens einen Punkt, und den vertieft: Ich habe 17 Jahre lang eine bayerische Ersatzschule geleitet (eine Montessorischule). Wer waren/sind die Schüler/Eltern? a) Bildungsinteressierte: Wir hatten und haben zahlreiche Eltern, denen die staatliche Grundschule viel zu reglementiert und unkindgemäß war/ist. Die fanden bei uns das eigentliche Ziel von Schule wieder, nämlich die Persönlichkeit des Kindes zu befördern oder zu ermöglichen. b) Alle Schichten: Von der alleinerziehenden Mutter, die sich die Schule irgendwie vom Mund abspart, bis hin zum Mercedes-Manager, dem das Schulgeld nur ein Schulterzucken kostet. Unser Schulgeld ist nach Einkommen gestaffelt und umfasst eine Spanne von etwa 120 bis 240 Euro pro Monat. Der gebundene Ganztag mit Mittagessen kostet extra. Bei der letzten Mitgliederversammlung plädierten viele „besser Gestellte“ für Nachbesserungen, also Erleichterungen, im unteren Einkommensspektrum; sie wollten dafür auch gern „oben“ mehr beitragen. c) Entmutigte: Es gab Eltern von Erstklässlern an staatlichen Schulen, die schon wenige Wochen nach Schulstart bei uns anklopften und nach freien Plätzen fragten, weil ihr Kind jetzt schon nicht mehr zurecht käme. Am anderen Ende nahmen wir immer wieder Gymnasiasten auf, denen ihre Schule und der Unterricht wahlweise die Freude, den Mut, die Zuversicht, manchmal auch die Lebenslust nahm. Die konnten wir (fast immer) wieder aufrichten und in ihr eigentliches Leistungsvermögen führen. Wer waren/sind die Lehrkräfte? Kolleg/innen aller Altersgruppen und Lehrämter. In den letzten Jahren vermehrt junge Lehrkräfte mit einer gymnasialen oder Realschulausbildung, die entweder keine feste Stelle kriegten oder nicht so unterrichten wollten wie sie es in ihrer Ausbildung kennen gelernt hatten oder beides. Wenn es ihnen möglich war, die materielle Eingangshürde zu überwinden – eine um mindestens eine ganze Gehaltsstufe schlechtere Bezahlung -, weil sie die sinnvolle Art zu unterrichten in Lebensqualität ummünzen konnten, gewannen wir in der Regel sehr engagierte und fähige KollegInnen hinzu. Es gäbe noch viel zu berichten, aber das soll genügen. Kompliment, Herr Füller, an Ihre Gedanken in diesem Blog!