In Berlin hat die Bundesbildungsministerin ihre neue riesige Lernwolke vorgestellt. Dort sollen alle Zertifikate der Lerner:innen rein, von der Sprachstandserhebung der Kita über Schulzeugnisse bis zum VHS-Kurs für Pensionäre

Man hat lange darauf gewartet, und Joeran Muuß-Merholz hat bereits ein großes Stück über die neue Nationale Bildungsplattform als dsytopischem Fiasko oder lichtem hellen Bildungsraum geschrieben. (update, 2. Mai) Ich habe sie mal Milchstraße genannt. Eine Ministerin wie Anja Karliczek aber muss genau erklären können, wofür sie ihr Geld ausgibt, genauer: das der Steuerzahler. Und es ist viel Geld. Im ersten Schritt werden für einen „Architektur-Wettbewerb“ für den Bildungsdom 150 Millionen Euro ausgegeben. Und dann folgt natürlich noch mehr Geld, sagte Bundes-Bildungsministerin Anja Karliczek. Am Ende werden es 630 Mio Euro sein, die der Bund in das Projekt pumpt.

Aber was ist nun diese Nationale Bildungsplattform? Das lässt sich, ehrlich gesagt, zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht exakt beschreiben – selbst die Ministerin tat sich damit schwer. (update, 2. Mai). „Ich bin sehr froh, dass sie [zwei Professoren] heute an meiner Seite sind, denn das, was wir heute starten wollen, ist ja etwas, was nicht so ganz leicht zu erklären ist“, sagte Bildungsministerin Karliczek über Anne Sliwka und Michael Kerres, zwei Professoren von der Bildungswissseschaft der Uni Heidelberg (Sliwka) und der Mediendidaktik an der Universität Duisburg-Essen. Man muss es also juristisch definieren, in dem man sagt, was die Plattform nicht ist: es ist keine Konkurrenz zu den bestehenden Plattformen wie Mundo oder WirLernenOnline oder den Bildungsservern der Länder oder deren Lernmanagementsystemen und Schulclouds. Sie soll auch nicht private Plattformen und Portale wie bettermarks, Sofatutor, Simpleclub, Lehrermarktplatz, Tutory und so weiter ersetzen – wie auch, wollte man sie nicht enteignen, und das will ja wohl keiner. Das eigentlich neue dieser Plattform ist, das sie wirklich ein Raum werden soll, in dem die Nutzer:innen im Mittelpunkt stehen. „Als Bundesregierung wollen wir damit allen Menschen von dem kleinen Schulkind bis hin zum Rentner den übergreifenden Zugang zu digitalgestützten Bildungsangeboten erleichtern und verbessern“, sagte Karliczek.

Michael Kerres erläuterte genauer, was damit gemeint ist. Zum ersten Mal werde eine Plattform nicht vom Anbieter her gedacht, sondern vom Nutzer, der Nutzerin. (Update, 2. Mai) „Das neue und besondere ist, die Plattform geht nicht von den institutionellen Anbietern aus, es ist also keine Lernplattform. Sie geht von der einzelnen Person aus, von der individuellen Bildungsbiografie. Meine Lernleistung, meine Kompetenznachweise, meine Zertifikate, die für mich relevant sind, zB wenn ich zum Beispiel ins Ausland gehen oder mich bewerben möchte, oder meine Kenntnisse nachweisen will, wo speichere ich die eigentlich, wie kann ich die rechtssicher ablegen?“, so Kerres.

Zeugnis, undigital

Konkret heißt das, dass in der Plattform die Zeugnisse, Zertifikate, Bewertungen des Lernenden bereitgestellt werden. Wie das genau geht, wurde nicht erklärt und kann auch weder die Bundesbildungsministerin noch einer ihrer Sprecher erläutern. Angeblich werden die Zeugnisse nicht zentral gespeichert (das wär ja auch ein Ding), sondern sie werden jedem Nutzer in einer Zeugnismappe, einer digitalen natürlich, zur Verfügung gestellt.

Der Nutzen ist klar: man muss nicht mehr von der Kita zur Grundschule zur weiterführenden Schule zur Bachelor-Uni zur Master Hochschule zur Doktor-Universität zur Volkshochschule laufen, um dort seine Zeugnisse abzufordern. Sondern: man hat sie immer dabei. Wie das technisch gestaltet wird? Ganz ehrlich, kann ich nicht erklären. Nur so viel: Man speichere seine Zeugnisse auf seinem Gerät in einem Wallet genau wie Tickets, Fahrscheine und so weiter in seinem Mobiltelefon. Es bleibt spannend unübersichtlich. Trotz der vermeintlichen Übersichtlichkeit der Mega-Meta-Plattform.

Ach so, Sakia Esken sagte auch was zu der Plattform: „Seit mehr als drei Jahren warten wir darauf, dass Frau Karliczek die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zum Aufbau einer digitalen Bildungsplattform umsetzt. Nicht einmal die Pandemie, die uns allen deutlich vor Augen geführt hat, wie wichtig digitales Lernen ist, konnte die Ministerin zu entschlossenem Handeln ermutigen.

Dieses ‚betreute Regieren’, bei dem die SPD die konservativen Minister und Ministerinnen immer wieder zum Jagen tragen muss, damit überhaupt etwas vorangeht: Das muss bald ein Ende haben.“

Saskia Esken