Kurz vor einem Think Tank-Treffen in München stelle ich mir die Frage: wie viele Professorinnen und Professoren brauchen wir eigentlich noch, um dieses einst so wunderbare Schulsystem nicht wieder flott zu machen?

Wir stehen vor einer multiplen Bildungskrise: Lehrermangel, Bildungsarmut, planlose Digitalisierung im Stile einer Echternacher Springprozession. Genau betrachtet stecken wir mittendrin in einer Kollapsbewegung. Um uns herum fallen bereits essenzielle Teile von Schule herab. Statt fünf Tage dürfen SchülerInnen diverser unterer Schulformen in Sachsen-Anhalt nur noch vier Tage lernen. Reihum erfinden sich die Länder immer neue, immer billigere Lehrersubtypen. ViertklässlerInnen in den B-Ländern Berlin, Brandenburg und Bremen sind bald die analphabetische Mehrheit in ihren Klassen: wir wissen nicht mehr, was sie sagen wollen.

Nur die Fassade steht noch

Nur die Fassade steht noch halbwegs. Aufrechterhalten von neuen, geheimen KMK-Standards – für die Gymnasien. Und Ausschluss-Prozessen der Philologen. Die Wagenburg der Abiturschulen schließt sich. Die einzige wahre Schule des Bürgertums soll zur gelobten Arche Noah werden. Die Abgehängten der Restschulen werden gewissermaßen dem Ertrinken preisgegeben. Das heißt, das wirklich wertvollste unserer Schulen, die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer, sind demotiviert. Das liegt in der Verantwortung der Kultusministerinnen – und das durfte nie geschehen.

Gebt den Lehrenden und Lernenden die Freiheit, aus einer öden Top-down-, Lehrplan- und Paukschule eine Schule der Zukunft zu machen.

Aufbruch kann man nicht erzeugen, in dem man irgendwelche Experten irgendwie ins Palaver bringt. Wer die Schulen als einzelne Einrichtungen auf Zukunft polen will, wer in Neukölln, Wedding und Kreuzberg, in Dortmund-Nord, Duisburg-Marxloh und Hamburg-Wilhelmsburg, im Hasenbergl und in den ehemaligen Benz-Barracken Mannheims Wirkung erzielen will, der muss die zu Insassen degradierten Befehlsempfängern, Staatsdiener und Objekte der Belehrung zu TeilgeberInnen machen. Das bedeutet, vor Ort Schulen zu handlungsfähigen Subjekten ihres Lernprozesses zu erklären. Ihnen Facilitator, Change-Agents und Moderatoren zur Verfügung stellen. Kurz: sie zu empowern. Und ihnen, vor allem, Personalrecht und Budgetfreiheit zu geben. Ihre Schulen zu Laboren, Lernräumen und Makerspaces der Zukunft umzubauen. Und ihnen, endlich, Sozialarbeiter und Schulpsychologen für ihre Wohlergehen zuzugestehen.

Stark-Watzinger, Rabe & Co haben Amtseid gebrochen

Es ist ein Skandal, dass die Ampel das beste und wichtigste Programm der letzten 20 Jahre heruntergekürzt und auf Halt gesetzt hat: das Startchancen-Programm muss beginnen. Jetzt! Die Stark-Watzingers und Rabes, die Piazolos und Schoppers dieser Bildungsrepublik, die 4.000 Ghettoschulen und Unterschichtsfabriken unversorgt auf dem Triageplatz liegen lassen, dürfen keine Bildungsverantwortlichen mehr sein. Denn sie haben den Eid gebrochen, den sie als Kultusminister geschworen haben und sie sind dabei, den einzigen Job zu versauen, für den sie wirklich gewählt wurden: jedem Kind die besten und gleichen Entwicklungschancen zu geben.

Ich rufe daher auf, sich an dem alternativen Bildungsgipfel von Susanne Posselt, Phil Dehne, Mark Rackles und Bob Blume zu beteiligen. Schluss mit der organisierten Verantwortungslosigkeit der Kultusbürokratie. Gebt die Schulen frei! 

Paula Friedrich Julia Borggräfe Simone Fleischmann Sabine Czerny 

Werbung