Im sehnlich erwarteten Startchancenprogramm für Schulen in schwieriger Lage wird „Tutoring for All“ als wirksames Instrument empfohlen. Gründer Ekkehard Thümler verrät, was das Besondere an diesem Tool ist

1. Herr Thümler, was ist eigentlich besser? Dass das Startchancenprogramm endlich verabschiedet ist – oder dass Sie ein Tool anbieten, das darin namentlich als besonders geeignet erwähnt ist?

Für SchülerInnen mit Leseschwierigkeiten sind das zwei gute Nachrichten auf einmal: Erstens, das Startchancenprogramm kann beginnen. Das heißt, die betroffenen Schulen haben einen Topf voll Geld, mit dem sie RisikoschülerInnen helfen können. Zweitens, es ist sehr wichtig, dass die Mittel für jene Schulen zur Verfügung stehen, die es am meisten brauchen! Dieses Geld wird aber nur dann eine Wirkung entfalten, wenn die wirksamsten Lernhilfen genutzt werden. Und wir sind uns sicher, dass unser Programm „Tutoring for all“ besonders wirksam ist. Ich freue mich auf den doppelten Durchbruch.

„Ich habe den Anspruch von 100-Prozent-Schulen nicht aufgegeben. Also Schulen, die jedem Kind helfen, die Mindeststandards zu erreichen.“

Ekkehard Thümler

2. Was macht die Anwendung „Tutoring for all“ so interessant für Brennpunktschulen – wo bisweilen acht von zehn Schülern die Mindeststandards verfehlen?

Das Programm hat für Schulen in schwieriger Lage drei große Vorteile: Erstens ist es so konzipiert, dass es Schulen maximale Unterstützung bei minimalem eigenen Aufwand bietet. Langwierige Unterrichts- und Schulentwicklung ist dafür nicht nötig. Zweitens hat eine wissenschaftliche Studie die hohe Wirkung des Tutorings gezeigt.

„So schnelle Zuwächse gibt es in bei kaum einem anderen Programm“: Lesekompetenz nach sechs Wochen mit „Tutoring for All“ und ohne (hellblau)

Man kann schon nach sechs Wochen eine deutliche Verbesserung der Lesefähigkeit erkennen. So schnelle Kompetenzzuwächse gibt es bei kaum einem anderen Programm. Drittens arbeiten wir mit einer digitalen Plattform. Das heißt, unser Programm kann auch von Personal ohne langjährige Qualifikation durchgeführt werden – zum Beispiel durch studentische TutorInnen, die wir uns als Begleiter sehr wünschen.

3. Manche kritisieren, dass Nachhilfe und phasenweise Förderung die ungerechte Struktur des Schulsystems nicht ändert. Ist Ihr Tutorenprogramm also nur ein Pflästerchen?

Ja, das stimmt: Tutoring alleine macht die Schulen, die wir heute haben, nicht zu chancengleichen Einrichtungen. Aber in meinen Augen können wir ein Teil einer strukturellen Antwort sein. Es kommt doch darauf an, heute schon so schnell wie möglich Hilfestellung für die Kinder zu mobilisieren, die das so dringend brauchen wie wir als Gesellschaft. Und diese schnellen Erfolge dann hoffentlich zum Teil einer umfassenden Lösung werden zu lassen, an deren Ende Schulen stehen, die gerechter sind. Ich habe den Anspruch von 100-Prozent-Schulen nicht aufgegeben. Also Schulen, die jedem Kind helfen, die Mindeststandards zu erreichen.