deep Pisaversteher

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Technikfolgenabschätzung

Der Bundestagsausschuss für Bildung und Technikfolgen hat sich am Mittwoch (8. Juni) mit einem Bericht „Digitale Medien in der Bildung“ befasst. Dazu gab es einen Bericht in der FAZ und einen Blogbeitrag, in dem ich den Bericht als unkritisch bezeichne.

Inhalt: Das Papier bezieht sich auf vier Bereiche, in denen digitale Geräte und das „allgegenwärtige Social Web“ Einfluss nehmen: Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in den Familien, der Einsatz digitaler Medien in Schule und Hochschule sowie in der Weiterbildung. Die Autoren beschreiben die wichtigsten Anwendungsgebiete. Das reicht von so genannten „Open Educational Resources“ – verkürzt etwa: das ‚digitale Schulbuch‘ – über Apps und Webvideos bis hin zu Zukunftstechnologien für Bildungsmedien. Dazu gehören – neben Datenbrillen – auch Anwendungen „Künstlicher Intelligenz“ für das Lernen. Beispiele wären hier Puppen oder kleine Roboter, die Kindern Fragen beantworten, mit ihnen lernen und gleichzeitig auch ihren Lernfortschritt in Bild und Ton dokumentieren. Diese intelligenten Lernroboter verbinden sich mit Datenbanken oder Superrechnern wie dem berühmten „IBM Watson“. Allein hier gäbe es viel Anlass, kritische Fragen an virtuelle Lernrealitäten oder die Totalspeicherung ganzer Bildungsbiografien zu richten. Aber der Bericht belässt es bei einer Beschreibung. In Teilen übernimmt er sogar die Aussagen und Angaben der Hersteller.

In der Einleitung heißt es:

TBAKonzept
Statt Risiken gibt es höchstens Herausforderungen

Zu dem Bericht hat sich Kevin Vennewald von der Deutschen Kinderhilfe ausgesprochen kritisch geäußert:

Die Deutsche Kinderhilfe begrüßt grundsätzlich eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Einsatzes digitaler Medien in Schulen, Hochschulen, Berufsschulen und Weiterbildungseinrichtungen. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat sich in seinem Endbericht „Digitale Medien in der Bildung“ umfangreich mit der Materie befasst, dabei jedoch die eigentlichen Gefahren und Risiken für Kinder und Jugendliche im Umgang mit den „neuen“ Medien aus den Augen verloren.

Der Bericht hält korrekt fest, dass moderne Kommunikationsmittel wie das Smartphone und Internet zur Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen gehören. Aus dem Grund erörtert das Paper, wie Medienbildung und Medienkompetenz als gesamtheitliches und modernes Bildungskonzept in allgemeinbildende Schulen und in die Erwachsenenbildung integriert werden können. Die Deutsche Kinderhilfe fordert bereits seit einiger Zeit eine bundesweite und strukturierte Eingliederung der Medienbildung in den Lehrplan. Hierbei sollen alle Pädagoginnen und Pädagogen bereits in ihrer Ausbildung einen festen Bestandteil der Medienerziehung erhalten und dazu angehaltenwerden, sich regelmäßig fortzubilden.

Im Bericht wird ein Modell der Initiative „Lernen in der digitalen Gesellschaft“ des Collaboratory Internet und Gesellschaft wie folgt zitiert: „Eine große Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung der alltäglichen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen ist, mit Datenschutz, Cyber-Mobbing und Copyright angemessen umzugehen.“ Die Deutsche Kinderhilfe muss mit Bedauern feststellen, dass dieses nur Theorie bleibt. Der Bericht geht auf die wichtigsten Themen wie Cyber-Mobbing, Cyber-Grooming, Sexting, Cybercrime uvm. unzureichend oder überhaupt nicht ein. Jedoch erhalten genau diese Themen Einzug in die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen in Deutschland statt. TBASexting

Auch der Bereich Jugendmedienschutz wird aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe vernachlässigt. Zwar werden die neuesten Zahlen beispielsweise zu Cyber-Mobbing aus den KIM- und JIM-Studien aufgelistet und erwähnt, jedoch fehlt die folgerichtige Schlussfolgerung. Zusätzlich lässt sich keine Forderung nach einer Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags aus dem Jahr 2003 aus dem Geschriebenen ableiten.“

Zum Jugendmedienschutz gibt es eine der wenigen kritischen  Passagen:

TBAJUgendschutz

Rosemarie Hein, Die Linke, hatte den Bericht in Auftrag gegeben. Sie sagte Pisaversteher:

Angesichts der schleppenden Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission ‚Internet und Digitale Gesellschaft‘ hat die Fraktion DIE LINKE im Bundestag einen Bericht zur Technikfolgenabschätzung über den Zugang zu digitalen Medien und Sicherstellung der technologischen Infrastruktur in Bildung, Wissenschaft und Hochschule sowie der Entwicklung von Medienkompetenz bei Lehrenden und Lernenden beantragt.

Dabei sollten sowohl Fragen der Bereitstellung der technologischen Infrastruktur, datenschutzrechtliche und urheberrechtliche Fragen wie auch Fragen kommerzieller Verwertungsinteressen untersucht werden. Neben den ökonomischen, finanziellen und technischen Fragen der Ausstattung der Bildungsinstitutionen sollten Probleme der Veränderung in der Lehr- und Lernkultur, der Weiterbildung von Lehrkräften, der Veränderungen des Nutzungsverhaltens und die Wahrnehmungsfähigkeiten der Nutzer und die zu erwartende Veränderung der Bildungslandschaft erfasst werden. Der Antrag wurde in veränderter Form vom Ausschuss auch in Auftrag gegeben.

Mit dem Einzug neuer Technologien sind stets umfassende Veränderungen in der Lebensweise von Menschen verbunden, in ihrer Weise zu kommunizieren und die Gesellschaft zu verändern. Sie haben soziale Auswirkungen. Sie bergen Chancen und Risiken. Diese umfassenden Veränderungen und ihre Folgen wollten wir abgewogen wissen. Neben der Erörterung von Chancen, die die digitale Gesellschaft bietet, halte ich die Auseinandersetzung mit kulturkritischen und kulturpessimistischen Standpunkten für ebenso erforderlich. Dazu gehört für mich auch klar das Benennen vorhandener Forschungsdefizite. Vor allem, da die Nutzung digitaler Medien den Alltag von Menschen längst bestimmt, ist eine Medienbildung dringend erforderlich, die über die Ebene der Fertigkeiten der Mediennutzung als neue Kulturtechnik weit hinaus gehen. Es erfordert die Herausbildung einer Medienkompetenz, die von Anfang an zu einer kritischen Mediennutzung befähigt. Davon sind wir in allen Bildungsbereichen noch weit entfernt.“