Die Kultusminister laden am Freitag, 25. November zu einem presseöffentlichen Fachgespräch. pisaversteher dokumentiert die Erklärung von mittendrin e.V. dazu.

mittendrin e.V.
http://www.eine-schule-fuer-alle.info/

PRESSEMITTEILUNG UND TERMINHINWEIS

Inklusion: Kultusministerkonferenz hat heiße Luft beschlossen
Kein bundesweites Recht auf Regelschule?

Schon am 20. Oktober 2011 hat die Kultusministerkonferenz neue Vereinbarungen über die Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung getroffen. Erst fünf Wochen später, am kommenden Freitag, 25. November 2011, soll der Beschluss veröffentlicht werden. Von den Betroffenenverbänden, die zur Veröffentlichung nicht eingeladen sind, kommt harte Kritik an dem Beschluss:
Die Kultusministerkonferenz hat sich ihrer Aufgabe verweigert, Standards für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in allen Bundesländern zu setzen. „“Alles kann, aber nichts muss“ – das ist das Gegenteil von wert setzenden Leitlinien, wie es die Empfehlungen eigentlich sein sollten.“, urteilt Barbara Vieweg vom Deutschen Behindertenrat.

Presseöffentliches Fachgespräch „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“
25.11.2011, 13.30 – 16.30 Uhr, Plenarsaal der KMK, Taubenstr. 10, 10117 Berlin

So zeigt das Papier in erster Linie, dass die Schul- und Kultusminister der Bundesländer das Vokabular der Inklusion inzwischen gelernt haben. Da wird in schönen Worten die Einbeziehung der SchülerInnen mit Behinderung in die allgemeinen Schulen beschrieben – allein, ob die Bundesländer dies umsetzen, bleibt ihnen völlig frei gestellt. Forderungen der UN-Konvention werden angesprochen, aber kein Wort darüber verloren, dass und wie sie umzusetzen sind. Sibylle Hausmanns von der BAG Gemeinsam leben – gemeinsam lernen kritisiert:“ Zur Frage der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen findet sich lediglich der lapidare Satz: „Die aktive Beteiligung der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen an den sie betreffenden Angelegenheiten ist selbstverständlich.“ Dass diese Beteiligung im Schulrecht verankert werden muss, empfiehlt die KMK nicht.“
Für SchülerInnen mit Behinderung heißt dies alles: Wer in Hamburg das Recht auf den Besuch einer allgemeinen Schule hat, kann nach einem Umzug nach Niedersachsen ohne Federlesens in die Sonderschule gesteckt werden.

An mehreren Stellen verweisen die KMK-Empfehlungen, die uns im Wortlaut vorliegen, auf „regionale Besonderheiten“: Zum Beispiel auf Seite 16:
„Die Formen des gemeinsamen Unterrichts werden durch regionale Besonderheiten, das elterliche Wunsch- und Wahlverhalten, individuelle Bedarfe und die Gestaltungsmöglichkeiten der beteiligten Partner bestimmt.“
Damit machen die Kultusminister im Schluss die absurde Feststellung, die UNO-Forderung nach gemeinsamem Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung sei quasi aus Mentalitätsgründen in Deutschland nicht überall verwirklichbar.
Haben Bayern einen unüberwindlichen Drang, Schüler mit Behinderung auszugrenzen?

In Ihrer Beliebigkeit, urteilt  Edda Schliepack, Präsidiumsmitglied des Sozialverbands SoVD, „ignorieren die Empfehlungen den klaren Vorrang des gemeinsamen Lernens und sprechen stattdessen von einer „Vielfalt der Lernorte“.“

Ihrer wichtigste Aufgabe aus der UN-Behindertenrechtskonvention, nämlich das Recht auf Regelschule für Kinder mit Behinderung zu beschließen, haben sich die Kultusminister schlicht entzogen. „Die Empfehlungen beschweigen das „Recht auf Regelschule“ für behinderte Kinder statt es anzuerkennen“, stellt Edda Schliepack fest.

Statt dessen wird der in vielen Bundesländern geplante Bestandsschutz für Sonderschulen von der Kultusminsterkonferenz abgesegnet. So heißt es auf Seite 17 des Beschlusses:
„Sonderpädagogische Unterstützungssysteme entwickeln je nach den Gegebenheiten der Region oder des Bildungssystems länderspezifisch unterschiedliche Profile. Sie tragen einer fachlichen und organisatorischen Weiterentwicklung sonderpädagogischer Bildung, Beratung und Unterstützung Rechnung. Diese können als regionale oder überregionale Einrichtungen einzelne oder mehrere Förderschwerpunkte umfassen und die präventiven, inklusiven und kooperativen Formen fachgerecht unterstützen.“

Damit ist auch die völlige Verweigerung inklusiver Schulentwicklung durch Bundesländer aus Sicht der Kultusminsterkonferenz in Ordnung.

Nach 2 ½ Jahren Beratung legt die Kultusministerkonferenz damit „Empfehlungen zur inklusiven Bildung“ vom Charakter eines Besinnungsaufsatzes vor:

  • Keine Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
  • Keine länderübergreifende Vergleichbarkeit der Lern- und Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung

Wir fordern die Kultusministerkonferenz auf, dieses Alibi-Papier zurück zu nehmen und wirkliche Standards für inklusive Bildung zu erarbeiten.