Nachtrag: 24. November 2011 = Metternich II

Wenn das Adorno wüsste taz

Nach einer wrestling-haften Schlammschlacht bei Twitter unter dem Hashtag #ecbi11 habe ich mit ein paar Leuten gesprochen. Ich wollte herauszufinden, ob die wirklich so naiv sind unter den Twitter-Teachern und glauben, dass Bertelsmann und BarCamp zusammen passen. Ich will die Recherche jetzt nicht in Gänze wiedergeben, weil vereinbart war, die Zitate zu autorisieren. Daran halte ich mich. Aber ich will einen Satz erwähnen, der fiel und der mich sprachlos gemacht hat – weil ich ihn zuletzt vor ca fünf Jahren von einem durch und durch reaktionären Pressesprecher gehört habe.

Können Sie mir Ihren Text vor der Veröffentlichung nochmal zuschicken.

Ihre Zitate?

Nein, den ganzen Text, es könnten ja sachliche Fehler enthalten sein.

Wohlgemerkt, es handelte sich hier nicht um eine Recherche im rechtsradikalen Milieu oder bei der Wirtschaft oder in einem abgewickelten Kombinat der verblichenen DDR, wo einem derart absurde Bitten immer wieder angetragen werden. Nein, man telefonierte mit den hypermodernen Bloggern und Twitterern der Lehrer- und Piratenszene, jenen Leuten also, die viel auf sich halten, weil sie entweder auf dem Grundgesetz schlafen oder gerade die Parlamente kapern, um die Demokratie zu erneuern. Ich bin nach den Erfahrungen der letzten Tage ganz sicher, dass diese Leute nicht wissen,  dass es so etwas wie Pressefreiheit gibt. Oder schlimmer, dass sie diese Freiheit geringschätzen oder schlicht nicht akzeptieren. Es gibt in Teilen dieser Szene keinen Begriff von Politik und auch keinen von Diskurs. Spaßeshalber habe ich zurückgefragt, ob der Betreffende es sehr cool fände, wenn ich der Kanzlerin die Texte über sie VORAB ZUR AUTORISIERUNG GEBEN SOLLE. Aber er lachte gar nicht mit, sondern versuchte mir ernsthaft zu begründen, wieso er den ganzen Text gern sehen würde.

Im Verlauf der Debatte fragte ein anderer, was denn schon der Unterschied sei, ob Bionade von Dr. Oetker gekauft oder ein BarCamp von Bertelsmann gesponsert werde. Das heißt doch wohl – wenn man sich denn diesem Argument eine Sekunde hingeben möchte -, dass der durch und durch private Konsum einer Limonade mit dem höchst politischen Diskurs von Ideen und Gedanken auf einem BarCamp gleichgesetzt wird. Einem Diskurs, den die Erfinder der Camps als die Krone der nicht gesteuerten, nur mager fomatierten, aber individuell, selbstbestimmt und kreativ erzeugten Kommunikation verstehen, jenem ersten echten Edelstein des Habermas’schen herrschaftsfreien Diskurses. Kess wird die Gleichsetzung Limo=Diskurs bei Twitter weiter gezwitschert, fröhliche Rechthaberei, bis zum Exzess getrieben. Immer witzig gemeitnt und mit lächerlichen smileys garniert.

Ich gebe zu: ich hatte den Gegenöffentlichkeiten und Piraterien des Netzes ein kleines bisschen mehr politischen Gehalt zugetraut.

Aber das war wohl von mir naiv.

Heute bin ich mir sicher, wenn die Piraten und  sagen wir, Oskar, zusammen an die Macht kämen, meine Zunft hätte nicht mehr viel zu lachen. Die würden die Pressefreiheit sofort rasieren.

21. November 2011 = Metternich I

Ich gebe zu: mein erster Tweet irgendwann heute morgen war jetzt nicht total ernst gemeint. Ich dachte nur, Bertelsmann sponsert Barcamp, ditte hat doch was. Also schmeißen wir mal ein Steinchen, ganz kleines, nur mal gucken wie die ach so kritischen Twitter-Teacher reagieren. Also schrieb ich das #ecbi11 sei halt auch eines von Bertelmaus‘ Gnaden gewesen, also ein #ecbe11, ein EduCampBertelsmann 2011. Und zwar, weil die Kohle und teilweise die Orga aus dem Hause der Stiftung kamen.

Nun muss ich zugeben – es wurde eine Lehrstunde. Alles wurde von denen zum Thema gemacht – nur die einzige wichtige Frage nicht: Ob man weiß, zu wem man sich da ins Bettchen gelegt hat und was das dann eigentlich heißt?

Nö, nicht die Bohne Erläuterung, wie viel Kohle der Milliarden-€-Medienkonzern (bzw. sein Stiftungseigentümer) mit gigantischer weltweiter Feuerkraft ins EduCamp investierte, nicht der Hauch einer Andeutung, wie und ob da inhaltlich Sessions bestellt oder vorgeplant wurden, nicht die Spur eines Problembewusstseins, dass so ein Laden wie Bertelsmann sowas natürlich nicht nur so pro Bono macht, sd. sich an eine hochspannende und innovative EduCommunity ranwanst, indem er sich die Community quasi anfüttert. (Erst am Abend, also in dem Moment, als ich das hier schreibe, begann ne zaghafte Debatte, dass die ja auch was wollen könnten – und sei es, die Ideen des Camps absaugen oder ihre Kartei der digitalen Boheme auffrischen. Merci @WNeuhaus)

Stattdessen die Idiotenrülpser, die man als Journalist IMMER wegstecken muss: ‚Du machst es Dir zu leicht‘ – mit vier Ausrufungszeichen veredelt (Blogger kritisieren ist halt nie leicht, es ist scheiß anstrengend). Oder, des Deutschen Lieblingsargument: ‚Warst du überhaupt da?‘ Oder, ganz banal, Pressehass wie einst bei den Karlsbader Beschlüssen. Die Blogger-Szene ist auch nicht anders als, ja wieso nicht: Metternich.

Dank an @schb, dass er irgendwann ne normale Antwort versuchte: Nett, dass die bezahlt haben – aber „Einfluss auf Themen oder Verlauf hat d. nicht“. Das soll wohl heißen, dass die Bertelsmann-Stiftung keine Sessions bestellt oder beeinflußt hat. Das wäre natürlich toll.