Wieso der Diskurs mit Netzaktivisten ganz oft nervt: Drei aktuelle Beispiele, die nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben
Diskurse über Twitter sind eh schwer. Immerhin schießen immer wieder Gedankenblitze hin und her, und es macht Spaß, durch den Tweetbeschuss angeregt zu werden. Allein: Es ist nicht immer so, im Gegenteil, manchmal nervt es kolossal, wie selbstbezogen, bockbeinig und ignorant die Netzfritzen sind.
Ich muss das jetzt in Häppchen machen, weil einfach nicht die Zeit ist, auf diese Twitter-Schauer en detail einzugehen. ..Fall 1 war Arne Busse von der Bundeszentrale für Politische Bildung.
Ein verdienter Mann der Jugendbildung und zugleich einer, der offen ist für Web2.0 und Netzwerke. Das ist klasse – prinzipiell. Dieser Tage aber retweetet Busse über seinen Account @amprekord einen sagenhaft witzigen und zugleich sagenhaft unterkomplexen Tweet.
Erfurt: Vater Sportschütze; Winnenden: Vater Sportschütze, Memmingen: Vater Sportschütze. Wir brauchen dringend Diskussion zu Killerspielen.
Ich nenne diese Äußerungen die Vorwärtsverteidigungstweets. Was heißt das? Sobald irgendein verirrter Jugendlicher eine Knarre in die Hand nimmt und in der Schule damit herumfuchtelt oder vielleicht sogar -ballert, kommt sowas. Es bloggt und twittert dann irgendein Schlauberger, dass bald garantiert der Anwurf komme:
Ballerspiele plus Pubertät = Schul-Massaker.
Ja, es stimmt, diese ordinäre mediale Gedankenkette hat die Nation mehrfach erlebt. Muss nicht sein. Aber das Spiel hat sich längst gewandelt. Die Antizipations-Gegenpropaganda-Maschinerie läuft perfekt. Knallt es irgendwo, fragt niemand, ob es Tote oder Verletzte gab und was eigentlich passiert ist, nein, es läuft SOFORT eine Message namens: „Höhö, jetzt kommen sie gleich wieder und behaupten, ‚alle Killerspieler sind Killer‘.“ Echte Blödmachertweets nenne ich das.
Was hat das mit Arne Busse zu tun? Na, wenn die Bundeszentrale für Politische Bildung da mitmacht und damit zur Gratis-Lobby der Games-Industrie wird, dann haben wir ein Problem. Klar hat Busse nicht im Namen der Bundeszentrale gehandelt. Aber er hat genau das Drehbuch der Vorwärtsverteidiger intus. Er verbreitet die Blödmacher weiter – und er verstärkt sie sogar.
Als @ciffi sich wagte, auf das komplexe Faktorenbündel aufmerksamkeitssüchtiger Jugendlicher, Waffenbesitz PLUS Ballerspieltraining zu verweisen, kam Busse aber ganz schnell in Fahrt – und jagte einen vorbereiteten Link durch die Gegend, in dem ein MIT-Professor acht Mythen gegen Ballerspiele widerlegte.
Das schöne daran: pisaversteher hatte keinen einzigen dieser Mythen bedient. Niemand hatte behauptet, dass Killerspiele notwendig Killer erzeugen oder ähnliches. Und genau das ist das perfide. Die Bundeszentrale und ihr Mitarbeiter Busse machen den kritischen Diskurs zu Ballerspielen tot – indem sie ein Doofargument in die Höhe halten und zerschießen. Es handelt sich dabei um ein NICHT VORGETRAGENES ARGUMENT, das derart gezielt erledigt wird, dass man annehmen muss: Das war vorbereitet. Aber sie behaupten mit treuherzigem Augenaufschlag, sie müssten Diskurse abbilden.
Aber genau das macht Busse eben nicht. Es geht doch nicht darum, dass Ballerspiele verboten werden sollen oder dass sie monokausal Killer erzeugten. Bullshit. Nur: Wo ist denn z.B. der Diskurs darüber, dass die Milliarden-Euro-Games-Industrie de facto eine Jungsverdummungsmaschine ist? Vor allem Jungs verbringen Zeit vor den Games, sehr viel Zeit, sie verbringen teilweise inzwischen netto mehr Zeit vor dem Computer als in der Schule. Ich weiss auch nicht, ob die Schule da nicht auch selber Schuld daran trägt und wie man dem denn Herr werden könnte. Aber ich möchte, dass darüber gesprochen werden darf. Auch organisiert von der Bundeszentrale, die aber scheinbar besseres zu tun hat: Als Vorwärtsverteidiger und billige Agentur der Games-Industrie.
Tweets, um die es morgen und übermorgen gehen wird:
Die Verflüssigung der Demokratie durch Piraten unter dem Deckmäntelchen, sie führten die Superdemokratie ein. Am Beispiel von @anked und einem richtigen, aber vollkommen wirkungslosen Fensterbeschluss auf Liquid Feedback. Und der Behauptung von @martinlindner, bei den Games sei ein Annäherung von game to play zu beobachten.
Thesen, die man dazu formulieren muss. Netzheinis…
– nehmen nur die rosaroten Schafswölkchen zur Kenntnis
– führen den immergleichen gimmickhaften Diskurs: ziehen Argument hoch, dass keiner gebraucht hat
– gehen auf kritische Sachverhalte nicht ein
– behandeln alle gefühlten 1.0-Denker so, als wären sie 1.0-Doofe