Als es jüngst zum Streit um den Satz „wieder die alte Kinderpornoleier“ durch einen grünen Netzpolitiker kam, wurde gebetsmühlenartig stets das gleiche Argument verwendet: Missbrauch finde nicht im Netz, sondern im Nahfeld des Kindes statt. In der Familie, der Kita, der Schule etc.
Damit machen sich die Netzaktivisten natürlich dümmer als sie sind. Längst gibt es durch das Netz eine ganz neue Dimension von Kinderpornografie (KiPo) und sexueller Gewalt gegen Kinder. „Die neue Dimension“ ist NICHT die größere Brutalität der KiPo, wie es jüngst ein Richter im Prozeß gegen den Wiesbadener Kinderpornoring Zauberwald beschrieb. (Siehe u.a. SZ) Bestialischer als bestialisch geht ja fast nicht.
Die neue Dimension ist etwas anderes: Das Einwandern der sexualisierten Gewalt durch das Netz in den Alltag der Menschen, gerade: junger Menschen. Sexualisierte Gewalt besteht aus Macht, Missbrauch, skrupellosem Instrumentalisieren von Nähe-Distanz, privat und öffentlich. Das sind die Ingredenzien des Netzes. Das Netz entgrenzt zum Beispiel in Chaträumen und sozialen Netzwerken „das Nahfeld“ ins Unendliche: der nette böse Onkel sitzt jetzt nicht mehr neben Mama, sondern in Meppen, Moskau oder der Mongolei. Das bedeutet, die „Nahfeld“-Ausrede der Stückwerker Netzaktivisten ist deswegen so oberdeppert, weil sie wissen und tagtäglich sich dafür rühmen, dass Facebook, Twitter et al aus der Welt ein Dorf machen. Ausgerechnet bei sexueller Gewalt und Kinderpornos aber wollen sie die Welt wieder zu einer kleinen, begrenzten und doofen 1.0-Erscheinung machen.
Das ist natürlich Quatsch. Das Netz ist nicht gut oder böse, es potenziert die Möglichkeiten, die virtuellen Vorstellungsräume – und zugleich auch die realen Erfahrungsräume der Menschen.
Oder anders gesagt: das Netz provoziert, produziert und multipliziert neue sexuelle Gewalt an Kindern. (Solange das nicht anerkannter Merksatz jeder Netzpolitik ist, sind wir keinen Schritt weiter.)