Mit Christoph Röhls „Die Auserwählten“ kommt das Missbrauchs-Verbrechen der Odenwaldschule in die Wohnzimmer. Der Film versimplifiziert und verfälscht die Taten an dem Elite- und Vorzeigeinternat des besseren Deutschland – und er klagt die Falschen an
Missbrauch abends viertel nach acht im Wohnzimmer. Sexuelle Gewalt nach Vesper und Bierchen, und zwar ausschließlich dieses Thema in einem Spielfilm: Das ist hartes Brot und der bisherige Höhepunkt einer ganz unwahrscheinlichen Karriere des Themas in den Medien. Christoph Röhl hat den Film gedreht. Der Regisseur und ehemalige Hilfslehrer an der berühmten Odenwaldschule in Oberhambach kann für sich beanspruchen, bereits das zweite wichtige filmische Dokument dieses Jahrhundertverbrechens* vorgelegt zu haben. Die Fragen, die man an den Film richten muss, der am Mittwoch um 20:15 Uhr ausgestrahlt wird, sind drei: Erstens, ist es ein guter Film geworden. Zweitens, welche historische Bedeutung hat er und, drittens, am unbequemsten, wieso hat auch dieses Werk erneut keine strafrechtlichen Konsequenzen?
Zur Ästhetik: Natürlich ist „Die Auserwählten“ kein schöner Film, obschon es so viele idyllische und schöne Bilder aus dem Hambachtal gibt, in das die Hexenhäuschen der Schule gesetzt sind. Immerhin geht es um sexualisierte Gewalt, also die aus der Machtdifferenz entstehende Verführung und Vergewaltigung von Jungen und Mädchen (in diesem Fall: meistens Jungen) zwischen zehn und circa 16 Jahren. Röhl zeigt die Taten nicht so konkret, dass des Zuschauers Scham verletzt würde. Man kann streiten, ob das ein zulässiges Stilmittel ist. Jedenfalls wird deutlich genug, was die Jungen zu erleiden hatten, die den Musiklehrer täglich mehrfach melken mussten und die der Schulleiter Gerold Becker (gespielt von Ulrich Tukur), der Sonnengott der Schule, überfiel, missbrauchte und einschüchterte.
Ruppig und holzschnittartig – wie die Odenwaldschule
Insgesamt scheint der Film zu ruppig und zu holzschnitzartig geraten als Erzählung. Der Zuschauer stolpert von einer Missbrauchsszene zur nächsten, ohne dass es auch etwas anderes gäbe. Freilich muss man, wenn man die Verhältnisse kennt, zugestehen, dass die kriminelle Seite der sozialen Wirklichkeit der Odenwaldschule so platt und so himmelschreiend war, wie Röhl sie zeigt. Die Banalität des Bösen bestand bei Adolf Eichmann darin, dass er mit Ärmelschoner und Frühstücksdose den Transport von Millionen Juden in die Gaskammern organisierte. Die Banalität des Bösen an der Odenwaldschule bestand darin, dass der Schulleiter die Schüler mit guten Noten, Joints, Schnaps und hin und wieder einem Paar neuer Turnschuhe bestach – und sie sich dann in der öffentlichen Dusche, im Mehrbettzimmer oder inmitten einer Party in seiner Wohnung griff.
Auch dass die Lehrer davor die Augen verschlossen wirkt im Film zu einfach, beinahe unglaublich, irreal. Aber es war so. Sie waren geblendet von der Ideologie der Reformpädagogik, erfüllt vom libertären Zeitgeist der sexuellen Befreiung vom Adenauerismus und vor allem waren sie schlicht und ergreifend Straftäter, die sich wegen unterlassener Hilfeleistung und verletzter Fürsorgepflicht strafbar machten. Selbstverständlich wurde bis heute keiner von ihnen bestraft oder auch nur zur Rechenschaft gezogen. Es ist gut, dass Röhls Film den Finger erneut in diese Wunde legt. Ganz egal, ob er cineastisch gelungen ist, ob er exemplarisch genug ist – das ist das große Verdienst Röhls, das ihm keiner mehr nehmen kann.
Problematische Historisierung
Dennoch ist der Film sicher problematisch, denn er beginnt zugleich damit, das Thema zu historisieren. Er erzeugt hin und wieder ein mildes Zeitgeist-Lächeln, das retrospektiv ist, also den Eindruck erweckt: Ja, so war das halt. Damals konnte eben man die Lehrer duzen und um eine Zigarette anschnorren, auch wenn man erst 13 war. Oder den VW-Bus des Schulleiters bis oben hin mit Bier und Schnaps beladen. Ja, so war das – nur gibt’s da nichts zu lächeln. Denn die Nachfahren dieser idiotischen Non-Pädagogik treiben ja bis heute ihr Unwesen. Etwa indem sich erwachsene Lehrer mit ihren Schülern auf Facebook duzen, liken und gemein machen und es eine große Gemeinde von Lehrern gibt, die das lustig und harmlos finden.
Der Film hat echte Fehler, was für den Film als Zuschauerfilm okay ist, weil er eine Geschichte nicht historisch vollkommen korrekt erzählen muss und auch nicht kann. Er muss eine Botschaft vermitteln, das gelingt Röhl sicherlich. Dennoch sind hier Fehler begangen worden, die in der Tat problematisch sind – für den Inhalt und, vor allem, für die Ethik. Denn tatsächlich war eben keine Lehrerin und kein Lehrer so mutig wie Frau Grust alias Julia Jentsch, den Missbrauch zu recherchieren und offen in der Konferenz der Schule als solchen zu benennen. Diesen Gefallen darf man den Lehrern der Odenwaldschule nicht tun, dass einer von ihnen den Mumm besessen hätte, gegen den Missbrauch zu rebellieren und den Rektor anzuzeigen. Das sagt ganz viel noch über die aktuelle Lehrerschaft. Noch heute sitzen ein paar Mitwisser, Profiteure und naive Augenverschließer oben an der Odenwaldschule. Jedenfalls einige von ihnen.
Hier zeigt sich die grundsätzlichste und wichtigste Problematik des Films: Dadurch, dass er so nah an die echte Odenwaldschule heranfährt, dass er die Schule selbst als Kulisse wählt, die Opfer genau wie das leitende Personal kaum verhüllt repliziert, ist er gefangen: Er kommt aus diesem Käfig der Realitäten nicht zu größeren Deutungen heraus. Und er läuft dabei stets Gefahr, dass ihm Fehler vorgeworfen werden.
Röhl hat kein Kino gemacht
Was Röhl gemacht hat, ist gar kein Kino, sondern eine Puppenstube des Horrors einzurichten, nicht Cinema, sondern Journalismus, bei dem die Personen erst kopiert und dann umbenannt werden. Röhl fügt dem praktisch nichts eigenes Fiktionales hinzu. Der Stoff ist so stark, dass er daran kleben bleibt. Und wenn Röhl fiktionalisiert, dann tut er so schwach, dass er unglücklicherweise die Sache verfälscht.
Das geht bis hin zu Simon Pistorius aka Gerold Becker, gespielt von Ulrich Tukur. Gerold Becker war ein Chamäleon, ein Verwandlungskünstler, einer der Menschen lesen und sich darauf blitzschnell einstellen konnte. Tukur aber hat fast immer die gleiche kumpelhafte Mimik drauf, der große Menschenfreund. Tukur sagte mir in einem kurzen Gespräch, er spiele diesen dämonischen Schulleiter von der Odenwaldschule. Nun, der Gerold Becker von damals war kein Dämon, sondern ein sehr brutaler Päderast. Und ein bisschen dämonischer und brutaler hätte man ihn vielleicht dann doch spielen mögen. Bei Teddy, Tod und Teufel, das jedes Portrait enthalten soll, kommt Beckers Teufelei jedenfalls zu kurz. Becker abends vor seinem Billigcognac Mariakron, das war kein jovialer Typ, der seinem geistigen Gespielen schlagfertige Antworten gibt, sondern einfach ein besoffener Kerl. Und Becker wendete, wenn er allein mit Schülern war, brutale Gewalt an, viel brutaler als Tukur es spielt, und das gehört vielleicht dazu, auch um 20 Uhr 15 in der ARD: Missbrauch ist nicht onanieren in der Dusche, sich gegenseitig einen runterholen, Missbrauch ist Vergewaltigung, seelische wie reale.
Es gab kein j’accuse!
Warum ist der Fehler so bedeutsam, dass kein Lehrer es gewagt hat, den Missbrauch offen zu thematisieren? Weil Röhl den Tatraum dadurch versimplifiziert. Wenn man den Missbrauch damals offen hätte ansprechen können, ohne dass er beendet worden wäre, dann wäre die Schule selbstverständlich kein Kuschelinternat mehr gewesen, sondern ein Gulag. Es braucht den schönen Schein, und sei er noch so dünn und trügerisch, um ein Verbrechen dieses Ausmaßes über 20 Jahre hinweg möglich zu machen, und dieser Schein ist die Ideologie der Reformpädagogik a la Landerziehungsheim. Hat man sie nicht, braucht man in der Tat dicke Klostermauern und die Zwangsmittel eines physisch repressiven Systems. Die totale Institution Odenwaldschule aber brauchte keine Mauern, sie war ein hoch manipulatives System für Schüler wie für Lehrer. Ihr Zwangsmittel war das zähe sinnenverklebende Gespinst der Nähe zum Kind, der Pädagogik auf Augenhöhe, der Beziehung usw. usf. Schüler, die den Vergewaltiger Pistorius verprügeln, ein Trägervereinsvorsitzender, der den Schulleiter zur Rede stellt, eine Lehrerin, die offen „J´accuse“ sagt, zerrisse das Gespinst.
Röhls Fehler ist übrigens sehr real ein Problem – denn es macht die ganz wenigen mutigen Lehrer von damals, die sich gegen das System Gerold Becker auflehnten, plötzlich zu Mitwissern und zu Verbrechern, zu ganz realen Straftätern, die sich nicht um ihre Schüler kümmerten. Darin steckt eine Anklage, die einfach ungeheuerlich ist. Denn die Wolfgang Edelsteins, Uwe und Herta Laus, die Salman Ansaris, die sich so vehement gegen Becker wehrten, sie wussten nicht, dass es Missbrauch gab. Sie ahnten, dass etwas nicht stimmte. Sie hatten viele Indizien, aber in ihrem Kopf den Schritt zu gehen, dass Becker Kinder vergewaltigte, den gingen sie nicht. Den konnten sie nicht gehen, das war in der Tat außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Auch weil sie es damals nicht gesehen hatten.
Lehrer als Miläufer, Mitwisser, Profiteure
Es gab an der Odenwaldschule sehr wohl Lehrer, die es sahen. Aber die waren entweder Mittäter, in den Hochzeiten gab es an der Odenwaldschule sechs Pädokriminelle, die zugleich ihr Unwesen trieben; oder es waren Mitläufer und Stillhalter, die heimlichen Profit aus ihrem Mitwissen schlugen – indem sie etwa mit Schülerinnen Beziehungen unterhalten konnten; oder diese Lehrer haben heimlich, still und leise den Dienst quittiert, sie haben die Schule verlassen – und das System lief weiter. Egal, welcher Kategorie sie angehörten, sie alle haben die Schüler, ihre Schutzbefohlenen, aufs Schändlichste verraten. Aber nicht die Mutigen, die nun im nachhinein als Schuldige insinuiert werden.
Warum wird niemand verhört und niemand festgenommen?
Bislang ist keiner aufgeklärt und festgenommen worden. Warum nicht? Warum gelingt es Großbritannien 40 Jahre nach Missbrauchstaten von Jimmy Savile (Mit-)Täter anzuklagen, aber in Deutschland gelingt dies nicht? Wieso schafft das Königreich es, offizielle Missbrauchs-Berichte zu recherchieren und zu schreiben und dabei die Mitwisser zu befragen und zu demaskieren – aber in Deutschland hat bislang keine Behörde auch nur einen Lehrer von damals peinlich befragt?
Das ist eine Frage, die wir endlich beantworten müssen.
Der Fehler, den Christoph Röhl und seine hochgelobten Drehbuchautoren begehen, ist daher nicht als dramaturgischer Kniff zu rechtfertigen. Es ist ein schwerer und unverzeihlicher Fehler. Es wäre wichtig gewesen, nicht die komplette Schule als Missbrauchspfuhl darzustellen. Sonst tut man der noch immer sehr aktiven und sehr blinden reformpädagogischen Gemeinde einen Gefallen, der zu groß ist: Dass sie sich weiter selbst belügen mit dem schönen Schein einer Pädagogik auf Augenhöhe, die in Wahrheit so gefährlich wie eine Rasierklinge ist. Im Netzwerk Blick über den Zaun, an der Laborschule in Bielefeld und so weiter glaubt man – nun auch dank Röhls Film – immer noch, die an der Oso seien zu 100 Prozent Verbrecher gewesen, und deswegen sei ihre dolle Reformpädagogik doch irgendwie aus dem Gulag zu retten.
Und das ist sie sicher nicht. Denn sie war konstitutiver Teil des Systems Becker.
*“und wir sind nicht die einzigen„
„Denn die Wolfgang Edelsteins, Uwe und Herta Laus, die Salman Ansaris, die sich so vehement gegen Becker wehrten, sie wussten nicht, dass es Missbrauch gab. Sie ahnten, dass etwas nicht stimmte. Sie hatten viele Indizien, aber in ihrem Kopf den Schritt zu gehen, dass Becker Kinder vergewaltigte, den gingen sie nicht. Den konnten sie nicht gehen, das war in der Tat außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Auch weil sie es damals nicht gesehen hatten.“
Eigentlich sollte einen so viel Naivität bei doch ansonsten intelligenten Menschen rühren. Wäre es denn wirklich Gutgläubigkeit, die dazu führt, dass Kindesmissbrauch meistens nicht gesehen wird. Bis heute.
Wer wirklich in die Materie einsteigt, muss aber leider erkennen, dass etwas anderes, ebenfalls zu tiefst Menschliches für das Ausblenden verantwortlich ist. Nämlich die weite Verbreitung von negativen Erfahrungen und Erinnerungen in Bezug auf Sexualität. Die eigene.
Wer das nicht verarbeitet und bei sich realisiert – und das ist leider bei den meisten Menschen der Fall – dem fällt es viel schwerer, adäquat zu handeln, wenn er davon erfährt, dass in seinem Umfeld Kinder sexuell ausgebeutet werden.
Das ist in Familien, Vereinen, Gemeinden, Kitas, Schulen und Heimen nicht anders als in Internaten.
Wie kommt es wohl, dass es in Deutschland Millionen von Erwachsenen gibt, die mit und für Kinder arbeiten. Aber sich bisher nur ein klitzekleiner Teil davon als Missbrauchsopfer zu erkennen gibt?
Kann ja noch werden.
Der Film ist sicher nicht optimal. Aber soll zur besten Sendezeit ausgestrahlt werden. Das Thema wird also quasi in die deutschen Wohnzimmer transportiert. Da gehört es auch hin.
Ich hoffe, dass der Film ausgestrahlt wird. Und sich dann sehr spannende und kontroverse Diskussionen anschließen. Auf die bei Anne Will freue ich mich nämlich besonders.
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden
Ach und was bisher vollkommen fehlt ist eine fundierte Darstellung, wer vom OSO-Missbrauchssystem profitiert hat und auf welche Weise das geschah.
Bisher wurde dieses Thema immer nur angerissen, oft durch Foristen, die entsprechende Kommentare zu Artíkeln einstellten.
Was nämlich die Veruntreuung öffentlicher Mittel angeht, stehen die ach so reformerischen, moralisch vorbildlichen Odenwaldschulverantwortlichen, respektive die Vorstände ihres Trägervereins, konservativen Pendants wie zum Beispiel dem Aloisiuskolleg in nichts nach.
Wer Strippen zieht, um das Geld anderer Leute abzuzweigen, verlegt seine Kabel nicht immer nach Norm. Manchmal wird es sogar versäumt, entsprechende Sicherungen einzubauen. Zum Beispiel wenn die Geschäfte mit der Wirtschaft, der Politik und der Wissenschaft zu lange wie geschmiert laufen.
OSO und AKO: zwei Missbrauchssysteme, deren Bedeutung weit über das Thema „sexuelle Ausbeutung von Kindern“ hinausgeht. Es waren Kaderschmieden und Selbstbedienungsläden. Und sind es noch heute. Stehen dabei für ein großes Stück der alten BRD.
Die es – zum Glück – so nicht mehr gibt.
Ich hoffe, dass möglichst viele Unterlagen aufbewahrt werden. Bzw. irgendwelchen Pädozauseln, die sie mittels „Verschimmelung“ verschwinden lassen wollen aus der Hand genommen werden.
MfG,
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Ich sehe das wie Sie, Frau Oetker. Ein Mädchen (12 Jahre) in der Klasse meiner Tochter verhielt sich, für mich auffällig. Auch aus diesem Grund habe ich eine Art Schullandheimaufenthalt begleitet. Ich hatte nach meinen Bebachtungen so weit Gewissheit, dass ich den Klassenlehrer darauf ansprach. Er:“ Wir sehen das auch….“ Ich:“ Warum helfen Sie diesem Kind nicht?“ Er:“ Das ist nicht so einfach Blabla.“
Nach dem Aufenthalt sprach ich mit der Mutter über meine Wahrnehmung und war mir, ob ihrer Reaktion, sicher, dass sie DAS wusste. Sie hier ging mich heftigst an. Ich forderte eine Klärung bevor ich weitere Schritte unternehmen würde. Das Mädchen kam kurze Zeit später in eine psychiatrische Klinik. Vergewaltiger war der Ziehvater. Die Mutter des Mädchens: „Sie reizte ihn aber auch“.
Enge Freunde dieser Familie (Psychiater + Theologin) sprach ich ebenfalls darauf an, auch sie wussten und schwiegen.
Das ist ein gesellschaftliches Gefüge von Profiteuren mit „gefährdeten“ Statussymbolen, denen sie ALLES unterwerfen.
Sei es die sichere Arbeitsstelle, die zu erwartende Altersvorsorge usw., um dann evtl. aus gesicherten Positionen (Rente, Pension…) DEN Aufklärer zu spielen. Ich benenne das sehr bewusst „spielen“.
Dieses hilflose ausgelieferte Mädchen benahm sich eben NICHT altersgemäß. Die nächste Fragen wären doch: „Warum, Was, Wie kann ich klären helfen.“
Diese Kinder schutzlos auszuliefern, ausgeliefert lassen und das widerfahrene Leid zu negieren, ist mit nichts entschuldbar.
Vielen Dank, das ist eine interessante Schilderung. Sie übersehen aber – wie Frau Oetken, die sonst sehr kluge Beiträge bringt -, dass die Odenwaldschule ein ganz anderer Fall ist. Es handelte sich fort eben um ein ziemlich gut getarntes doppelgesichtiges System, eine Jekyll-and-Hyde-Institution: dort lagen reformpädagogisches „kein Kind wird beschämt“ und ideologisch gerechtfertigter Missbrauch sehr nah beieinander. Frau Oetken beschuldigt hier Edelstein usw., sie hätten gewusst, was passierte. Sorry, das geht nicht. Es ist ein harter, vollkommen unbewiesener Vorwurf – gegen den ich als Betroffener vorgehen würde. Er übersieht sich, dass gerade „moralische“ Figuren wie Ansari und Edelstein sich nicht vorstellen konnten, das grenzüberschreitende Erziehung auch Missbrauch sein kann. Ich kann das nicht beweisen, sie aber das Gegenteil schon gar nicht. Nur kenne ich beide aus vielen persönlichen Gesprächen, und ich behaupte: Sie wussten nichts.
Ihr Fall ist interessant, aber eben ganz anders. Sie gehen von einem betroffenen, stark auffälligen Kind aus. Davon war die Odenwaldschule randvoll, und zwar in jeder Hinsicht. Da gab es jede Menge verwahrloster Kinder. Trotzdem Danke für Ihren Beitrag, bitte hinterlassen sie künftig ihren Namen.
Nicht wissen, nicht sehen, nicht glauben-können…..es ist eigentlich DAS Kernkennzeichen unserer Missbrauchstraditionen. Die verschiedenen Tatorte unterscheiden sich eigentlich nur marginal. An solchen wie der Odenwaldschule gibt es zwar spezielle Bedingungen, aber das „Drehbuch“ folgt ähnlichen Mustern wie in anderen Gefügen auch, in denen Kinder und Jugendliche sexuell ausgebeutet werden.
Es gibt vielfältige Hinweise, jede Menge Mitwisser. Etliche Nutznießer. Viele Gelegenheiten wo man hätte den TäterInnen Einhalt gebieten können. Konkret geschieht aber recht wenig. Häufig gar nichts. Oft wird den kindlichen Opfern sogar noch zusätzlicher Schaden zugefügt. Das liegt entgegen dem Klischee nicht daran, dass die Menschen, die Missbrauchsgefügen angehören, so besonders, speziell, geschweige denn außergewöhnlich übel, böse, dumm oder schlecht wären. Im Gegenteil: oft ist es ihre Normalität, ihre Durchschnittlichkeit, oder sogar ihre besondere moralische Orientierung, die dazu führt, dass sie mehr oder minder bewusst bzw. vorsätzlich dazu beitragen, dass Kinder missbraucht werden können.
Es mag Menschen geben, die so naiv sind, dass sie sich nicht vorstellen können, dass andere Kinder missbrauchen. Die sind aber sicherlich in der Minderheit. Jeder, der schon mal mit einer anderen Person Sex hatte, wird sich vorstellen können, dass es Menschen gibt, die Kinder für sexuelle Aktivitäten missbrauchen.
Die meisten werden aus Selbstschutz weggucken, wegsehen, Unglauben vorgeben. Das ist ganz menschlich. Ich habe nicht vor, jemanden dafür moralisch zu verurteilen. Möchte aber davor warnen, sich hinter diesem beliebten „nix gemerkt, konnte ich mir gar nicht vorstellen“ zu verbergen. Es macht alles nur noch schlimmer.
Oder wie eine Mitstreiterin es in ihrer Ansprache, die sie auf einem Symposium zum Thema hielt so wunderbar treffend formulierte: „Missbrauch – da kann einem alles vergehen. Auch was die Partnerschaft betrifft“.
Recht hat sie. Die Kunst ist, Realitäten zu sehen, aber nicht den Menschen an sich abzuwerten. Entschlossen zu handeln, aber seine Grenzen zu erkennen.
Eigentlich ein bisschen schade, dass eine so kundige Frau wie Sie alles quasi einebnet, weil „Missbrauch“ angeblich überall so gleich und so brutal sei. Da fehlt mir die Differenz.
Kein Missverständnis Der Missbrauch im Odenwald war nicht besser oder schlechter als anderswo. Aber er hatte sehr besondere und gute Bedingungen, weil er in eine positive Ideologie eingebunden war. Das ist dann eben anders, weil es eine Art positiv codierter Massenmissbrauch war.
Sie übersehen das gerne, wie Sie schon auf dem Podium der Grünen/Boell-Stiftung bewiesen haben: Auch dort verkündeten Sie, dass der grüne Missbrauch sich nicht unterscheide – und sprachen damit das wahrhaft monströse Verbrechen frei, das in Kreuzberg in den 1980ern/90ern geschehen ist. Sie taten das, ohne zu wissen, was eigentlich los ist. Als Sie auf dem Podium munter Normalität verkündeten und prima Noten vergaben, kam aus dem Publikum der Hinweis, dass es ein Dutzend Täter (wohl mit grünem Parteibuch) gab und über Tausend Opfer.
Sie wissen so viel, Frau Oetken, aber sie wissen eben weder über die Details im Odenwald noch in Kreuzberg Bescheid. Dies einfach einzuordnen in Missbrauch als generelle Tragödie, hilft nicht weiter. Es kann übrigens sogar sein, dass man AM ENDE zu dem Schluß kommt, dass alles die gleiche Choose ist. Aber erst muss man hingucken, dann kann man urteilen, und in Kreuzberg hat außer Ingo Vogg und der Sozialarbeiterin fast niemand genau hingeguckt – zuallerletzt die Grünen, die sich nur oberflächlich Mühe gaben.
Und nun? Haben die Grünen ausgerechnet die mutige und kündige Angela Oetken als Anwältin. Schade. Zeit nachzudenken und wieder an die unaufgeklärten Fälle und die Ohnmacht der Opfer zu denken. Nix für ungut, aber sie sie greifen nun seit einiger Zeit Aufklärer an und stellen sich schützend vor Täterorganisationen.
Darf ich fragen: Warum tun sie das?
Es ist tatsächlich sehr schwierig Kindern beizustehen, die sexuell ausgebeutet werden oder davon bedroht sind. Und da handelt es sich um viele. Das hat nach meinem Dafürhalten kulturelle Gründe. Übergriffige Sexualität ist ein Teil unserer Tradition. Das Leben in bestimmten sozialen Gefügen, von denen die Familie das kleinste ist, hat uns ins Industriezeitalter geführt. Wo die meisten von uns Erstweltlern komfortabel leben. Das hat natürlich einen Preis. Den zahlen unter Anderem die in vielfacher Hinsicht ausgebeuteten und allein gelassenen Kinder, die mitten unter uns leben. Und so hart es klingt: sexuelle Ausbeutung und Gewalt zu erlauben, zu ermöglichen, sogar zu fördern bot lange Zeit Vorteile für die Gemeinschaft. Sie erlaubte es, den Bereich der menschlichen Sexualität und Fortpflanzung auf dem Gebiet der Tierzucht anzusiedeln. Wer das in Zweifel zieht, möge sich nur einmal mit der Porno- und Prostitutionsszene beschäftigen. Wo es vor Missbrauchsopfern nur so wimmelt. Und zwar unter den Anbietern, den DarstellerInnen und den Konsumenten. Wenn wir daran etwas ändern, dann hat das weitreichende Konsequenzen. Der Mensch ist auch ein Gewohnheitstier. Er braucht einen gewissen Teil Routinen und ein vordergründiges Gefühl von Sicherheit, um sich wohl zu fühlen und leistungsfähig zu sein. Justiz, Medizin, Pädagogik, aber auch viele lieb gewonnene Grundüberzeugungen müssten wir anpassen, wenn wir uns den Missbrauchsrealitäten stellen wollten. Das ist unbequem, deshalb gibt es ja so viele Widerstände dagegen. Sexualität ist eben einer der intimsten Bereiche unseres Lebens.
Die wenigsten sexuell missbrauchten Kinder zeigen eindeutige Verhaltensauffälligkeiten. Und viele an sich verantwortliche Erwachsene, an erster Stelle die Eltern der kindlichen Opfer sind bereit und in der Lage, ihrem Kind beizustehen. Manchmal aus böser Absicht, so nach dem Motto „meinem Kind darf es niemals besser gehen als mir“. Aber oft, weil sie eigene Traumatisierungen nicht aufarbeiten konnten oder wollten.
Nehmen wir nur mal die Mutter des von Ihnen vorgestellten Mädchens. Sie hätte ihrer Tochter helfen können. Aber: wie muss eine Frau drauf sein, die einen Mann als „Partner“ wählt, der Kinder missbraucht?!? Natürlich gibt es Leute, die der traditionellen Sicht auf Missbrauch anhängen, von wegen „da war der Trieb so stark, dass der Mann nicht an sich halten konnte“… Unter Anderem äußern sich einige Vertreter der katholischen Kirche so. Gut. Mag sein.
Wer dagegen auch in Männern die Menschen sehen kann, wird zu anderen Täterprofilen kommen. Volkmar Sigusch beschreibt 10 Tätertypen, http://www.zeit.de/2010/20/Interview-Sigusch, Gallwitz und Paulus fünf http://www.aufrecht.net/utu/taeter.html
Und es ist leider so: viele Täter und Täterinnen waren selbst mal Opfer. Sie sind als Kinder über einen langen Zeitraum entsprechend konditioniert worden. Und alles andere als „Monster“. Sondern häufig entsprechend ihrer typischen Pathologie sogar sehr angenehme, sympathische, zugewandte Menschen. Manche missbrauchen Kinder, weil sie versuchen, so mit heftigen Triggern und üblen Impulsen besser fertig zu werden. Oft geschehen die Übergriffe dann unter Alkoholeinfluss. An sich bräuchten sie eine effektive Traumatherapie. Die leider immer noch Mangelware ist. Erst recht für Männer. So geraten als Kind missbrauchte, zu Übergriffen neigende Männer an Frauen, die genau diesen Typ Mann wählen. Weil sie ihn aus der Kindheit kennen. Oft als den eigenen Vater. Und Männer suchen sich Frauen, die in ihrer Übergriffigkeit ihrer eigenen Mutter ähneln. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.
Kurzum: in unserer doch recht oberflächlichen Welt fallen Täterinnen und Täter kaum auf. Weil Missbrauch ein traditioneller Teil unserer Sexualkultur ist. Es ist doch ein tolles Zeichen, dass wir vor einigen Jahren, ausgelöst durch den Canisiusday im Januar 2010 begonnen haben uns als Gesellschaft viel intensiver als je zuvor mit dieser Realität auseinanderzusetzen.
VG und einen schönen ersten Advent!
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Leider wird der Missbrauch an den Mädchen und jungen Frauen an der Odenwaldschule kaum thematisiert.Vielmehr spricht man von Beziehungen als ob hier freiwilligkeiten und Einverständnis vorgelegen hätten.Ich bin gespannt ob evtl Alice Schwarzer das in der Talkshow bei Anne Will ansprechen wird.Ich befürchte aber,das insgesamt die Odenwaldschule als Institution des Missbrauchs nur an Jungs wahrgenommen wird!
@Ex-Odenwaldschülerin,
was 2010 zur Breite der Missbrauchsdebatte beigetragen hat ist natürlich auch bezeichnend: es waren vor allem männliche Opfer, die sich Gehör verschaffen konnten. Das war neu: Jungen als Betroffene von sexuellem Missbrauch – diese Information sorgte für große Aufmerksamkeit.
Aber es ist nicht diesen Männern anzulasten, dass Missbrauch und sexuelle Gewalt von Teilen der Gesellschaft immer noch als eine Art üblicher sexueller Initiation von Mädchen angesehen wird.
Ich bin den männlichen Betroffenen, die sich ab 2010 an die Öffentlichkeit gewandt haben sehr dankbar. Viele von ihnen haben dabei ihre gesamte Existenz riskiert, nicht nur ihren guten Ruf, sondern auch das Wohl ihrer Angehörigen und ihre berufliche Perspektive. Manche dieser als „Elite-Opfer“ wahrgenommenen Menschen haben im Zuge ihres Outings viel verloren.
Gerade was den weiblichen Opfern an der Odenwaldschule angetan wurde ist besonders erschreckend. Es wird kaum darüber gesprochen.
Vielleicht finden sich doch noch ein paar weibliche OSO-Opfer und gehen an die Öffentlichkeit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch Unterstützung von Seiten der Medien und von Fachleuten bekämen. Denn nur wer sich mit dem ideologieimmanenten Frauenhass der Reformpädagogik befasst, kann verstehen, wie die systematische sexuelle Ausbeutung und Versklavung von Mädchen und Jungen dort gelang.
Und warum sie nach wie vor aufrecht erhalten wird.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
@angelika OetkeN:Ich habe unter einem männlichen Pseudonym von Anfang an gepostet weil ich wusste das ich als Frau nicht ernst genommen werde-eine Lektion die ich unter anderem an der Odenwaldschule gelernt hatte.Ich habe auch viel riskiert und deshalb mittlerweiler wegen erfolgter Repressalien Deutschland verlassen.Weiblich Opfer sind-auch für die Medien-nicht so interessant und wichtig.Glasbrechen ist für mich im wesentlicheneine Vertretung der männlichen Opfer!
@Ex-Odenwaldschülerin,
was schätzen Sie denn, wie viele weibliche Opfer es an der Odenwaldschule gab?
Und: es stimmt. Für Frauen ist die Gefahr nicht ernst genug genommen zu werden größer als für Männer. Dafür ist aber der Statusverlust für männliche Opfer auch viel erheblicher.
Es schadet aber keiner Frau zu lernen, wie man sich Respekt verschafft.
Ansonsten vertreten weibliche Opfer sich am besten selbst. Vielleicht wagen sich ja doch noch welche an die Öffentlichkeit.
Übrigens: ich bin dafür, an den entsprechenden Institutionen den Fokus etwas zu verändern. Weg von der eigentlichen Missbrauchskriminalität und dem individuellen Leid. Hin zu dem, was ich als Begleit- und Beschaffungskriminalität bezeichne. Veruntreuung, Unterschlagung, Korruption, Betrug.
Davon gab es an der Odenwaldschule wie auch an vergleichbaren Einrichtungen wie dem Aloisiuskolleg genug.
Bei solchen Sachen sind die Menschen viel eher bereit den Mund aufzumachen als bei Missbrauch. Das berührt sie auch nicht so persönlich. Und über den Umweg kommt man dann auch wieder an das Missbrauchsthema ran.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Der Statusverlust bei Frauen kann sogar noch höher sein,es sei denn man billigt ihnen einen niedrigeren Sozialstatus zu.Dann ist die Fallhöhe in der Tat geringer.
Meine Damen, ich unterbreche sie ungern, muss das jetzt aber tun. Sobald wir hier ins spekulativ-anklagende gehen, muss ich Sie bitten, Belege vorzuweisen oder allgemeiner zu bleiben. Ich finde einige Äußerungen absolut interessant, ich meine das im Bezug auf weiter gehende forschung. Aber: darüber kann man nicht reden, man muss es tun. In diesem Sinne habe ich zwei Kommentare zunächst mal blockiert, die unbewiesene Anschuldigungen enthalten. Ich werde die bearbeiten und den nicht zweifelhaften Teil frei geben. Sorry und danke für die rege Debatte hier. Cif
„Der Statusverlust bei Frauen kann sogar noch höher sein,es sei denn man billigt ihnen einen niedrigeren Sozialstatus zu.Dann ist die Fallhöhe in der Tat geringer.“
@Ex-Odenwaldschülerin,
das mit dem geringeren Statusverlust bei Frauen beziehe ich auf die weibliche Rolle, vor allem die was das sexuelle Selbstverständnis angeht. Traditionell ist eine Frau oder ein Mädchen da Objekt, ein Mann eher ein Aggressor. Auch wenn solche Gedanken nicht mehr politisch korrekt sind, wurden wir durch sie geprägt. Das beste Beispiel dafür ist ja die geschlechterabhängige Zuordnung, die bei den OSO-Opfern vorgenommen wurde.
Vermutlich befinden sich unter den weiblichen Opfern etliche, die sich gar nicht als Missbrauchsbetroffene sehen. Denn das hat ja auch etwas Endgültiges, so im Sinne von „das-ist-mir-geschehen-und-ich-werde-es-nie-wieder-los“.
Ganz besonders bedrohlich ist es allerdings für Frauen, die es aus eigener Kraft nach oben geschafft haben, wenn sie als „Opfer“ geoutet werden. Zum Einen würde man ihnen schnell unterstellen, sich „hochgeschlafen“ zu haben, zum Anderen ist die Luft an der Spitze dünn und der Wind rauh. Da würde es so manchem Konkurrenten zu Pass kommen, wenn die weibliche Führungskraft als „dreckiges Opfer“ entlarvt wird.
Vermutlich ein Grund mit, warum sich so wenige VIP-Frauen outen. Obwohl das der Sache natürlich gut täte.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Es bestätigt mich in der Annahme das man doch besser schweigt wie viele das tun.Was hat man davon wenn man sich outet,ansonsten aber die Täter und Umstände nicht benennen darf.Nichts-ausser Ärger.Beweisen kann man oft nichts nicht einmal den eigenen Missbrauch,denn es ist in der Regel kein Dritter anwesend.Die Verflechtungen mit den Stiftungen aufzudrösseln ist auch für verserierte Journalisten nicht einfach,denn es wird keine Unterlagen geben Insofern wird es nie eine wirkliche Aufklärung des Odenwaldskandals geben können,
@Ex-Odenwaldschülerin,
wer mit dem Gedanken spielt, sich als Opfer zu erkennen zu geben, sollte sich natürlich gut überlegen, was er davon hätte. Die Motivationen sind auch ganz unterschiedlich.
Wenn die Gefahr besteht, dass TäterInnen bzw. deren Angehörige oder Umfeld auf das Outing negativ reagieren ist es sinnvoll, sich mit einem Anwalt zu beraten. Zwar sollte man dann mit Namensnennungen und der genaueren Schilderung der Umstände vorsichtig sein, aber es gibt einen Grenzbereich. In dem man das Notwendige schon schildern kann.
Die Begleit- und Beschaffungskriminalität (Verflechtungen bilden, um Gelder zweckzuentfremden): das ist eigentlich ein Fall für Menschen, die sich mit Wirtschaftsverbrechen auseinandersetzen.
Unterlagen: jede Körperschaft muss Verantwortliche benennen. Und Jahresabschlüsse machen. Wer Gemeinnützigkeit für sich in Anspruch nehmen will, muss die Unterlagen beim Finanzamt vorlegen. Insofern gibt es sicherlich noch Unterlagen.
Bisher fand dieser Aspekt in den Berichterstattungen und in den wissenschaftlichen Gutachten nur marginal Berücksichtigung. Aber das kann sich ja ändern.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Die entsprechenden Unterlagen aus den 70 und 80er werden vermutlich nicht mehr vorhanden sein und die entsprechenden Vergehen oder Verbrechen verjährt.Trotzdem bin ich der Meinung das Recherchen in Richtung der Stiftungen einiges zu Tage fördern können und damit zur Aufklärung der Hintergründe der sexuellen Gewalt-warum niemand über einen so langen Zeitraum einschritt-beitragen können.Da waren nämlich viele verwickelt,zumindestens finanziell und damit waren sie erpressbar.Deshalb schwiegen sie auch zum Missbrauch an ihren eigenen Kindern oder Patenkindern.
@Ex-Odenwaldschülerin,
ich habe gehört, dass eine bestimmte Person ganz eifrig Akten schredddert.
Wer welche hat, sollte die bunkern. Für den Fall aller Fälle. Man kann sie evtl. mal verkaufen oder damit seine Haut retten.
Die OSO-Seilschaft aus der Becker-Ära stirbt so langsam aus. Die Gesellschaft hat sich verändert. Und Manches kommt erst auf den Tisch, wenn die Verantwortlichen weg vom Fenster sind.
„Da waren nämlich viele verwickelt,zu mindestens finanziell und damit waren sie erpressbar.Deshalb schwiegen sie auch zum Missbrauch an ihren eigenen Kindern oder Patenkindern.“
Ja, Sie haben das sehr gut auf den Punkt gebracht. Meiner Erfahrung nach verdrängen viele Opfer das für lange Zeit. Manche aus guten Gründen für immer. Und schweigen deshalb.
Die Erkenntnis quasi „für ein Linsengericht“ von seinen nächsten Angehörigen verscherbelt worden zu sein ist bitter. In jedem Erwachsenen steckt auch noch das Kind, das er mal war. Und das möchte so geliebt werden wie es ist.
Aber genau das Phänomen eint fast alle Opfer der verschiedenen Tatorte. Also auch die von familiärem Missbrauch, solche aus Heimen oder die aus dem Vereins- oder Gemeindekontext.
Für mich war das der schwerste Teil der Aufarbeitung meiner eigenen Geschichte. Aber auch der wichtigste. Denn erst dadurch gewann ich eine gesunde und heilsame Distanz zu dem missbrauchsfördernden Umfeld aus dem ich stamme. Und konnte erkennen, dass das, was mir passiert ist wenig mit meiner Person, als vielmehr mit den Defiziten der Erwachsenen zu tun hatte, die mal für mich verantwortlich waren.
Das Bezeichnende – und auch besonders Verstörende – im Falle der Odenwaldschule ist aber die Diskrepanz zwischen dieser ordinären Banalität, nämlich Kinder aus finanziellen oder Gründen des Sozialprestige zu opfern und dem Wertekanon, der von den pädagogisch Reformierten unentwegt angestimmt wurde. „Besser, heller, schöner, freier, sozialer….“.
Das sehe ich als einen der interessantesten Punkte der Aufarbeitung, die an diesen ehemaligen Vorzeigeschulen noch aussteht an.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
An der Odenwaldschule habe ich vor allem gelernt ,dass das was gesagt wird noch lange nicht gemeint ist sondern das es leere Worthülsen sind.Ich habe mit 14 Jahren Gerold Becker als das genuin Böse empfunden,während andere ihn zur Ikone erhoben-von was eigentlich?Ich habe dort gelernt das man niemandem trauen kann und die Angst war allgegenwärtig.Mein Vater hat mich verraten und meine Mutter war schlicht desinteressiert an mir.das ist auch heute noch so.Nach meiner Vergewaltigung durch einen Lehrer brachte mich mein Vater in ein Krankenhaus.In einem Zwiegespräch mit Becker-in seinem Büro-wurde ich genötigt zu schweigen.Mein vater will sich heute an nichts mehr erinnern.Da ich in darauf angesprochen habe,hat er den Kontakt abgebrochen und mich enterbt.Er ist ein grausamer Mann so wie die Lehrer an der Odenwaldschule auch waren.Und meine Mutter ineressiert das alles nicht,bis heute.Heute glaube ich das meine Eltern mich hassen.Deshalb geschah das alles.
@Ex-Odenwaldschülerin,
was Sie schildern ist absolut typisch. Ganz und gar unabhängig von den verschiedenen Tatorten. Das kann ich nur immer wiederholen.
Was die Rolle von Eltern angeht: die wird in unserer Kultur ja idealisiert. Eltern werden ist ja erstmal nichts als eine biologische Funktion. Jedes Meerschweinchen kann sich fortpflanzen. Wobei ich diesen liebevoll-geselligen Tieren mit meinem Vergleich nicht Unrecht tun möchte 😉
Im Ernst: haben Sie schon einmal überlegt, ob Ihre Eltern nicht viel weniger Sie als einzigartige Person, sondern das Kind, was Ihre Mutter und Ihr Vater selbst mal waren und in Ihnen wieder zu erkennen glaubten gehasst haben?
Das Kind, was Zuwendung und Unterstützung braucht, weil es nun einmal ein Kind ist. Und sie, diese Eltern liebt, obwohl die davon ausgehen, dass es an ihnen nicht viel Liebenswertes gibt?
Es gibt Menschen, die verachten andere für sowas.
Denn, noch etwas eint viele stark belastete Opfer: bei ihren nächsten Angehörigen handelt es sich um Missbrauchsbetroffene, die nichts aufarbeiten konnten oder wollten. Statt dessen ihre vor Hass und Ablehnung triefenden Täterintrojekte mehr oder minder lustvoll an ihre Kinder weitergegeben haben.
Bis hin zu Todeswünschen und regelrechten Mordversuchen durch unterlassene Hilfeleistungen.
An Einrichtungen wie der Odenwaldschule scheint dieser Elterntypus noch viel verbreiteter als überall sonst. Sie finden ihn aber auch am Aloisiuskolleg, an der Ettaler Klosterschule oder am St. Blasien. Nur um bekannte Beispiele anzuführen.
Wenn Menschen, die so aufwachsen, eben NICHT ihre Kinder dafür büßen lassen, ist das allein schon eine Leistung. Denn: sie hatten ja im Grunde fast nur schlechte Vorbilder.
Und. die entsprechenden Schulen erkennt man an ihren Homepages. Es ist viel von Werten und Verantwortung die Rede, aber wenig wird konkretisiert.
Das was Sie oben beschrieben haben, das ethisch-moralische Schwadronieren, das Umherwerfen von Worthülsen, ist auch ziemlich typisch für Missbrauchskontexte. Ich glaube, das kommt daher, dass die Leute, für die solche theoretischen Konzepte, die mit Idealen arbeiten attraktiv sind, keine ausreichende innere Stabilität haben. Die möchten sie durch solche Äußerlichkeiten kompensieren. Denen fehlt der Maß-Stab.
Und stabile, belastbare innere Maßstäbe die bastelt man nicht einfach so an einem Runden Tisch. Deshalb bin ich auch sehr skeptisch, was den Fortbestand der Odenwaldschule angeht.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Herr Füller,von der Geschäftsleitung der Odenwaldschule wurde erwartet,das die Eltern neben dem schon hohen Schulgeld spendeten .Ansonsten bekam man keinen Schulplatz bzw. dann andere Schwierigkeiten.Umso mehr Probleme ein Schüler an einem staatlichen Gymnasium gehabt hätte umso höher Spenden wurden erwartet.So konnte man sich auch ein Abitur erkaufen ebenso einen Platz in „besseren Familien“.Spendeten die Eltern besonders eifrig konnte man auch in der Schweigkofler-Familie unterkommen und hatte auch dort gewisse Privilegien während andere gequält und missbraucht wurden.Das betraff zumindestens die Familien aus der oberen Mittelschicht.Jugendamtskinder hatten ganz andere Probleme und Kinder aus der Oberschicht vermutlich auch bzw. der Name und Einfluss des Vaters schützte möglicherweise.Dazu weiss ich zuwenig denn auch an der Odenwaldschule blieb man trotz allem Dutzen unter sich -das heißt es gab durchaus eine klassenspezifische Segregation und da hatten es Mädchen in diesem androkratischen Herrschaftsmodell und unter Gerold Becker eh schwerer.Gerold Becker schrieb an meine Eltern-obwohl ich nie in seiner Familie war-Berichte das ich nichts taugen würde und zu empfindlich sei-nach dem Übergriff auf mich wohlgemerkt.Bis heute hallen daher meine Eltern nichts von mir obwohl ich mittlerweile promovierte Naturwissenschaftlerin geworden bin-hier nebenbei einen Dank an Herrn Dr. Ansari und dessen erstklassigen Chemieunterricht.So hat es ein Pädokrimineller geschafft mich bis auf den heutigen Tag bei meinen Eltern massiv zu diskreditieren Ein besonders trauriges Kapitel für mich.
@Ex-Odenwaldschülerin,
dieses besonders perfide-heimtückische Prinzip der wundersamen Spendenvermehrung wurde von weiteren OSO-Opfern beschrieben.
Haben Sie eine Idee, von wem es ausging?
Übrigens: wenn Lehrer versuchen, Kinder gegenüber ihren Eltern in Misskredit zu bringen, dann liegt es immer auch an den Eltern, ob das gelingt. Es gab wohl zu viele Schülereltern, die ihrem Nachwuchs gegenüber zu negative Einstellungen hatten. Nur so kann ein derart kinderfeindliches System bestehen.
Herr Dr. Ansari wird sich über Ihre Anerkennung, was seinen guten Unterricht betrifft sicher sehr freuen. Denn er gehört ja zu denen, die sehr viel Gegenwind bekommen haben. Und zwar weil er ehrlich über das, was geschah und wie er es bewertet berichtet. Während die, die sich und anderen bis heute die Taschen voll lügen bislang ungeschoren davon gekommen sind.
Aber: was – noch – nicht ist, kann ja noch werden 😉
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
„Herr Füller,von der Geschäftsleitung der Odenwaldschule wurde erwartet,das die Eltern neben dem schon hohen Schulgeld spendeten .Ansonsten bekam man keinen Schulplatz bzw. dann andere Schwierigkeiten.“
@Ex-Odenwaldschülerin,
bei der Gesinnungskonkurrenz, den katholischen Schulträgern lief es übrigens teilweise auch nach diesem Muster. Und ob das wirklich verändert wurde, bleibt die Frage. So wie sie sich auch bei der Odenwaldschule immer noch stellt.
Demnächst wird ein Dokumentarfilm gesendet, der die systematische sexuelle Ausbeutung von Schülern bei den „Domspatzen“ und im Internat Etterzhausen beleuchtet http://www.regensburg-digital.de/die-akte-regensburger-domspatzen/30122014/
Ob es in dem Film auch um die neben den massiven Menschenrechtsverletzungen betriebene Wirtschaftskriminalität geht, weiß ich nicht.
Sie erwähnen die Familie Schweigkofler: wissen Sie, ob es irgendwo eine Auflistung darüber gibt, an welchen Stiftungen und Gründungen Günther Schweigkofler direkt oder indirekt beteiligt war und ist?
http://www.taz.de/!72277/
Stiftungen eignen sich ganz hervorragend für Geldtransfers, die man bei genauerem Hinsehen als Wirtschaftskriminalität einstufen muss.
Es muss gar nicht so dramatisch ablaufen wie hier beschrieben:
http://www.antigeldwaesche.de/Zweifelsfragen/Zweifelsfragen.html
http://www.kriminalpolizei.de/weitere-rubriken/organisierte-kriminalitaet/detailansicht-organisierte-kriminalitaet/artikel/internationale-geldwaesche-am-beispiel-von-offshore-zentren.html
Es reicht, wenn Sie unerlaubte Absprachen mit Finanziers treffen, zum Beispiel Mitarbeitern von Behörden und Ämtern.
Bsp.: Sie betreiben ein Nachhilfeinstitut. Eines Ihrer Angebote ist „Lerntherapie“. Das wird von Jugendämtern unter gewissen Voraussetzungen gefördert. Nehmen wir mal an, Sie kennen einen oder mehrere Jugendamtsmitarbeiter privat. So gut, dass Sie sie beeinflussen können. Und überzeugen diese Verantwortlichen, bestimmte Kinder und Jugendliche zu Ihnen zu schicken. Keine schweren Fälle, aber welche für die Lerntherapie finanziert wird. Pro forma beschäftigen Sie einen Mitarbeiter, der die Kriterien des Lerntherapeuten erfüllt. In Wirklichkeit werden die SchülerInnen aber von Billigkräften bei Laune gehalten. Aufkommender Kritik begegnen Sie mit Konzepten und Erklärungen in blumiger Sprache. Sie schwadronieren von „Entfaltung des Potentials“, „Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen“, „Orientierung an Werten“ und „Rückgewinn der Freude am Lernen“. Da sich die Eltern Ihrer Klienten sowieso nicht wirklich für ihre Kinder interessieren – das Jugendamt zahlt ja – haben Sie von der Seite nichts zu befürchten. Vergessen Sie aber nicht, überall zu verbreiten, dass Ihr Institut „das Beste“ ist. Und nur für „besondere“ Kinder da. Selbstverliebte Eltern hören so etwas gern.
Von Ihren NachhilfeschülerInnen werden Sie nicht verpfiffen. Da haben Sie vorgebeugt. Bei Ihnen darf man Kicken, Daddeln, Rauchen und PC-Games spielen. Was Pubertisten eben gern tun. Außerdem geben sich die BetreuerInnen, die Sie beschäftigen „cool“.
Einen Teil des Gewinns, den Sie ganz sicher machen, führen Sie an gemeinnützige Organisationen ab. In denen – zufällig – Ihr Lebensgefährte und ein paar Ihrer Freunde im Vorstand sitzen. Über Projekte, die von denen gefördert werden, fließt ein Teil des Geldes an Sie beide zurück.
Und falls mal einer Ihrer „Mitarbeiter“ quer schießt oder Sie jemanden belohnen wollen, gibt es dort immer einen besser bezahlten Arbeitsplatz für diese Person.
Sie selbst sind vor Allem damit beschäftigt, einflussreichen, aber eitlen Leuten Honig um den Bart zu schmieren und überall Strippen zu ziehen.
Das Prinzip ist einfach und wird deshalb häufig angewandt. Allerdings sind solche Gefüge leicht zu erkennen: sie nutzen ein besonders „moralisches“ Vokabular und geben sich einen sozialen Anstrich. Über das übliche Maß hinaus. Und irgendwann glauben diese Leute wahrscheinlich selbst den ganzen Quatsch, den sie tagtäglich von sich geben.
Anders ist es nicht zu erklären, dass die Odenwald-, Aloisiuskolleg, -Domspatzen- und-wie-sie-alle-heißen-Seilschaften nicht müde werden, ihre hohlen Phrasen zu dreschen. Und zwar bis heute.
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
z.Bsp. Antonio Amadeu Stiftung
Lieber Herr Füller,
zu Ihren Anmerkungen:
1. Missbrauch im Kreuzberger Milieu: war im fraglichen Zeitraum dort anwesend
2. Polarisierungen: werden dem Thema nicht gerecht
3. Psychohygiene: ich empfehle Supervision. Oder eine Behandlung bei Therapeuten, die durch folgende Institute zertifiziert wurden http://www.degpt.de oder http://www.emdria.de
4. Ingo Fock: er hat richtig und mutig interveniert
5. Meine Rolle: wie einige andere Betroffene, die an die Öffentlichkeit gehen, bin ich so eine Art Heroldine für all die, welche sich selbst nicht äußern möchten oder können
VG
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick
Ihre Antwort ist nicht die einer Heroldine, sondern sie ist – pardon – zynisch:
„Polarisierungen werden dem Thema nicht gerecht“, das sagen sonst Täter, ihre Helfer und Vertreter der Täterorganisationen – nachdem sie die leisen Klagen jahrelang abgeblockt hatten.
Aufklärung ist nicht sanft und therapeutisch; das sollte sie vielleicht irgendwann werden. Aber am Anfang ist sie: laut, mit Knall und Krach. Sonst geht es nicht. Ich empfehle den Satz von Andreas Huckele ernst zu nehmen: „Wie laut muss ich denn noch schreien.“
Betroffene haben nicht – wie Sie insinuieren – etwa das Problem, zertifizierte Supervision oder Hilfe zu bekommen, sondern überhaupt welche.
Ich vertrete einfach eine andere Sicht auf die Dinge als Sie Herr Füller. Meine ist eher pragmatisch. Mir ist es wichtig, konkrete Ziele zu erreichen. Die formuliere ich im Verbund mit anderen Betroffenen auf realistische Weise. Nachdem wir verschiedene mögliche Strategien auf ihre Erfolgsaussichten abgeklopft haben. Und ich bin ein Mensch, der sich durch Emotionalität schnell eingeengt und behindert fühlt. Weder will ich die Welt verändern, noch Menschen verbessern. Ich nehme alles erstmal so wie es eben ist und gucke, was sich machen lässt. Wenn was nicht klappt, verändere ich mein Ziel oder den Weg dahin. Bin Realo, wenn Sie so wollen. An der borderlinigen Odenwaldschule hätte ich mich ganz sicher nicht wohl gefühlt….:) Dort wurde offenbar sehr stark polarisiert und emotionalisiert. Das war auch beim „Kampf um den Abstieg“ dieses Jahr deutlich zu bemerken.
Andere AktivistInnen wählen wiederum eher den persönlichen, affektgeladenen Ansatz. Es ist doch ganz natürlich, dass es da sehr unterschiedliche Wege gibt. Bei Millionen von Missbrauchsopfern, von denen sich nur ein ganz kleiner Teil offen engagiert. Viele wirken im Verborgenen.
Zu Herrn Huckele: er hat sich außerordentlich eingesetzt und dabei viel riskiert. Er hatte damals wie heute noch eine mächtige Lobby gegen sich. Das mit den Schreien, die niemand hören will kennen sehr viele Betroffene. Erst recht die der familiären oder familiennahen Tatorte. Warum meiner Ansicht nach nicht, spät oder nur verhalten darauf reagiert wird, hatte ich oben ja bereits erläutert. Die darin enthaltene Entwertung der eigenen Person eben nicht auf sich zu beziehen, sondern einen gesunden Abstand zu den Menschen von damals und ihren fragwürdigen Einstellungen einzunehmen ist schwer. Letztlich einer der wesentlichsten Bausteine effektiver Aufarbeitung der eigenen Traumabiografie.
Was Therapie angeht: ich habe für Missbrauchsbetroffene aus gutem Grund ausdrücklich zertifizierte Traumatherapien empfohlen. Da ist man einigermaßen auf der sicheren Seite. Selbstverständlich gibt es Wartezeiten. Aber zum Einen arbeiten gute Therapeuten so zügig es eben geht, zum Anderen entschließt sich nur eine relativ kleine Zahl von Anspruchsberechtigten zu einer Therapie. Die Zahl Derjenigen, die einen Platz suchen ist gar nicht so hoch. Derzeit jedenfalls nicht. Abgesehen davon, ist Psychotherapie nicht der einzige Weg effektiv aufzuarbeiten.