updates nach twittergewitter: siehe unten update II: ganz unten >>> vergessen- die stimme der kompetenz und vernunft: Maik Riecken @mccab99
… die Straßen schon. Wampflers falsches Vertrauen in die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen
Heute hat @legeraude nach dem Vergleich Strasse/Internet gefragt. Philippe Wampfler @phwampfler meldete sich von der Skipiste und verwies auf einen Blogpost, in dem er 2013 gezeigt hatte, wie man Kindern den Straßenverkehr so nahebringt, dass man sie allein auf die Strasse lassen kann. Er schreibt dort:
In Vorträgen und Interviews vergleiche ich das Internet immer wieder mit dem Straßenverkehr: Wir wissen, dass er gefährlich ist und Unfälle Kindern gravierenden Schaden zufügen. Und trotzdem haben wir Wege und Mittel gefunden, dass wir darauf vertrauen, dass Kinder den Schulweg alleine bewältigen können
So sehr ich Philippe bewundere, das ist einer seiner Vergleiche, die soziale (und juristische) Kontexte vollkommen ausblenden. Eltern vertrauen dem Straßenverkehr doch nicht nur, weil sie ihren Kindern „Straßenkompetenz“ beigebracht haben und Ihnen daher den Alleingang auf die Straße zutrauen. Sie tun das vor allem, weil sie wissen, dass der Straßenverkehr vielfach gesichert ist.
Das Netz ist Nullkommanull gesichert
Und genau deswegen hinkt der Vergleich von Phillipe eben: das Netz ist Nullkommanull gesichert, Wampfler und viele andere Netzaktivisten setzen einzig und allein auf Medienkompetenz der Kinder. Freiheit und Sicherheit aber sind Zwillinge, das eine gibt es nur mit dem anderen. Und im Netz gibt es formale Sicherheit leider gar nicht: keine Kaum Eltern, die sich im Netz so gut wie auf der Straße auskennen und ihre Kinder entsprechend erziehen vorbereiten; keine Schule, die der Medienerziehung mächtig wäre; keine gültige StVO fürs Netz; So gut wie keine Polizeistreifen, schon gar keine Ampeln etc.; ein geradezu grotesk lächerlicher Jugendmedienschutz (den Medienpädagogen ja auch rundweg ablehnen, Imagine!)
Debatte auf die Füße stellen
Der Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger stellt Wampflers Conclusio vom Kopf auf die Füße: aus dem Vergleich von Internet und Strassenverkehr wird nicht mehr Vertrauen die Folgerung sein, sondern mehr Sicherheit im Netz. Rüdiger hat den Vergleich hier präziser ausgearbeitet:
„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“ Kaiser Wilhelm II
Man fragt sich ein bisschen, wo derjenige hinwill, der bei einem Vergleich wie Philippe ALLEIN auf Vertrauen setzt. Er wiegt die Beteiligten in falscher Sicherheit. Alle Erfahrungen mit Selfies, Sexting, Cybergrooming, Younow etc strafen ihn ja auch Lügen. Ohne formale Sicherungen ist das alles hochriskant. Denn Kinder und Jugendliche sind von fundamentalen Eigen-Sicherungsfragen Lichtjahre entfernt, das Netz überfordert sie – in jeder Hinsicht. Könnte es sein, dass Philippe das grundlegende Phänomen des digitalen Exhibitionismus nicht erfasst hat? Ui, das wär ja mal was: Ohne Kompass und Konzept im Netz irrlichtern?!?
Update: Medienpädagogik ja, aber bitte ohne Medienpädagogen!
Ich dachte erst, dass mein letzter Satz bisschen zu hart sei. Aber die Reaktionen der Medienpädagogen und NerdiLehrer waren, nun ja, derart verstörend, dass… Plötzlich hieß es, man dürfe doch die Medienkompetenz nicht völlig vergessen zugunsten der Sicherungen im Netz. Hmmm. Dieses: „Bitte das eine gegen das andere nicht ausspielen“ kennen wir ja zur Genüge. Es kommt meistens von denen, die das tun – nur andersrum. Ein Beispiel. Als im letzten #edchatde über Medienkompetenz und Sicherheit im Netz diskutiert wurde, war das Mantra dieses: Bitte keine Sicherungen, keine Polizeistreifen, keine sicheren Anmeldeprozeduren, keine Alterskennungen, auf keiiiinen Falk #VDS, weil sonst chinesische Verhältnisse! Zensur! Diktatur! Die Rettung bestehe einzig und allein in: Medienkompetenz.
Offenbar muss man solche Binsen erzählen, also bitteschön: 1. Ich bin für eine „Medienpädagogik“, also: dass Eltern und Lehrer und neue Agenturen Kindern und Jugendlichen endlich beibringen, wie man sicherer im Netz surfen kann als bisher. Dazu müssen aber erstmal Lehrer, Eltern etc. nachsitzen, was Internet technisch und gadget-mäßig bedeutet. (Diese Medienpädagogik aber, bitte bitte!, am besten ohne Medienpädagogen, weil das sind Gesundbeter der schlimmeren Sorte. Deswegen nenne ich das ab heute: Eine Netzverkehrserziehung. Der Begriff enthält sehr schön auch die Akteure, denn bei der Verkehrserziehung für die Straße lässt der Staat Eltern und Schulen ja auch nicht allein, und es kommen unabhängige zivilgesellschaftliche Agenturen hinzu. So könnte auch eine schlaue Medienpädagogik Netzverkehrserziehung gestaltet sein.) 2. Braucht es unbedingt StVO, Ampeln, Polizei, also formale Sicherungen für das Netz! (repeat: Es braucht beides)
Ein falscher Vergleich?
Der Vergleich zwischen Straßenverkehr und Internet, so viel zu Martin Lindner (der sich offenbar gerade abschafft), ist übrigens super, er liegt nahe. Beides ist „Verkehr“, ist „Kommunikation“, ist Netz. Mehr Analogie geht gar nicht.
Zu den Medienpädagogen noch zwei Sätze. Ich hatte vergangene Woche das Missvergnügen, bei der Vorstellung des Buches „Neuland“ anwesend zu sein. Der Autor berichtete dort, dass die Medienkompetenz seit dem Neandertal vollkommen ausreiche, um sich im Netz sicher zu bewegen. Als ich nachfragte, welche Kompetenzen denn z.B. 13jährigen Mädels hülfen, bei YouNow nicht zu viel Exhibitionismus zu betreiben, da kam er zu einem überraschenden Schluß: Abschalten!
Neuland: Medienkompetenz heißt Abschalten
Gut, das ist eine wichtige Kompetenz. Aber: Zwischen Anschalten und Abschalten gibts doch hoffentlich noch was, oder? Aber da kam nichts, nada, null – und das von einem Mann, der in der ersten Liga der Medienkompetenten spielt. Ich finde das eine Bankrotterklärung aus der Netzgemeinde.
Und: Dass A.R. Kommer als Medienpädagoge den Jugendmedienschutz als „pädagogisches Unwort“ bezeichnet – muss man dazu wirklich noch etwas sagen? [Kommer, der sich übrigens auf Twitter @mediendidaktik_ nennt, hat sich jetzt gemeldet. Er sei gar kein Medienpädagoge, sondern Deutschdidaktiker… Puuh]
Anhang: der einzige kritische Medienpädagoge, Pädogoge über & mit Medien, Maik Riecken 😉
Ihre Einstellung zum Internet ist leider so typisch deutsch: Verbieten, regeln, kontrollieren.
Schade, von einem Journalisten hätte ich da deutlich mehr erwartet.
habe ich nicht geschrieben und möchte ich auch nicht. ok. lesen hilft.
Pisaversteher!
Hier eine kleine Aufgabe für Dich. Worin besteht der Unterschied zwischen den folgenden Sätzen:
(a) Paris ist eine Stadt.
(b) „Paris“ ist zweisilbig.
Wenn Du das herausgefunden hast, ist Dir vielleicht auch klar, dass jemand, der den Begriff „Jugendmedienschutz“ kritisiert, nicht automatisch Jugendmedienschutz rundweg ablehnt, wie Du fälschlich behauptest.
Als Journalist solltest Du zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem differenzieren können. Gerade dann, wenn es um ein so wichtiges Thema wie den Jugendmedienschutz geht.
merci, schreiben sie ihre tweets unmissverständlicher als deutschdidaktiker. und äußern sie sich mal zur sache, was sie statt „jugendmedienschutz“ gern hätten als begriff oder inhalt, können sie sich raussuchen. best