Am 30. Juni diskutiert Pisaversteher in Frankfurt/Main mit Micha Brumlik, den beiden Kinderladen- und Sexualitätsexpertinnen Julia König und Miriam Mauritz sowie Claus Koch über den Zusammenhang von sexueller Befreiung und sexueller Gewalt. (Hier gehts zum Flyer und den Details: 30. Juni 18: 15 uhr, Uni Frankfurt).
As Hintergrund der Debatte sollen die Taten in der Berliner AL in den 1980er und 1990er Jahren gehen – wo möglicherweise organisierten Missbrauch bis zur Kinderprostitution aus der grünen Partei heraus stattfand. Was hat das mit den 68ern zu tun?
Dazu zwei Fragen aus einem Interview mit der MOZ von Anfang dieser Woche, mit herzlichem Dank an den Interviewer Michael Gabel.
Wieso spielen die Grünen bei diesen Vorgängen eine so große Rolle?
Es gab ein Vorglühen bei den 68ern. Sie propagierten die „sexuelle Befreiung“ des Kindes als gesellschaftlichen Aufbruch. Das Kind sollte nicht mehr in der prüden Kleinfamilie aufwachsen, sondern proaktiv zu Sexspielchen gebracht werden. Mit Erziehern, mit den Eltern. Das war die Grundidee, die aber gar nicht so sehr praktiziert, sondern eher phantasiert wurde. Zehn Jahre später unterwanderten dann aber kriminelle Pädosexuelle die Grünen und bauten auf dieser angeblichen Befreiung auf.
Ist sexualisierte Gewalt immer mit Gewalt verbunden? Oder: Für Was ist für Kinder so schlimm an Missbrauch?
Die schlimmste Verletzung ist doch, dass diese Kinder betrogen werden – oft um ihr ganzes Leben. Viele merken oft erst als Erwachsene, wenn sie ihre eigene Sexualität zu leben beginnen, dass es gar kein Sex war, was man mit ihnen gemacht hat. Aber natürlich gab es etwa bei den Grünen auch Gewalt. Schauen wir uns die Alternative Liste, die AL, in Berlin in den 1980ern an. Wir wissen, dass der Haupttäter nicht nur Jungen für den eigenen Zweck missbrauchte und grünen Parteifreunden zur Verfügung stellte. Er hat Kinder auch Freiern am Bahnhof Zoo zugeführt. Wir müssen also davon ausgehen, dass es Kinderprostitution aus der AL heraus gab.
Zitat: „Das Kind sollte nicht mehr in der prüden Kleinfamilie aufwachsen, sondern proaktiv zu Sexspielchen gebracht werden. Mit Erziehern, mit den Eltern. Das war die Grundidee, die aber gar nicht so sehr praktiziert, sondern eher phantasiert wurde.“
Woher wissen Sie das (Letzteres)??? Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder kein Phänomen der Neuzeit ist. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass es auch in den 1968er und 1970er Jahren sexuelle Übergriffe durch Erwachsene auf Kinder gab. Im Gegensatz zu den Tätern heute agierten die Täter (und ihre MittäterInnen) damals in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem Kinder „proaktiv zu Sexspielchen gebracht werden“ sollten und auch Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und Kindern durchaus als progressiv und wissenschaftlich als nicht schädlich verkauft wurde. Und zwar nicht irgendwo in einer spinnerten Randgruppe!
Erinnert sei u.a. an das Hearing im November 1970 im Vorfeld der Sexualstrafrechtsreform. Damals referierten auf Einladung des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages 31 Fachleute (u.a. Soziologen, Kriminologen, Psychoanalytiker, Jugendpsychologen, Juristen, Theologen und Sexualwissenschaftler) über die Nichtschädlichkeit von „gewaltfreien“ Sexualkontakten von Erwachsenen zu Kindern. Objektive Untersuchungen zu dieser Frage gab es zwar nicht, das hinderte die überwiegende Zahl der „Experten“ aber nicht, zu behaupten, die Wahrscheinlichkeit eines größeren Schadens müsse als niedrig angesehen werden. Schäden würden allein die Tabus und die daraus resultierenden Reaktionen des („spießigen“) Umfelds hervorrufen, war man sich einig. (Quelle: Bericht Walter/Klecha, 2015)
Erinnert sei an 13 Kinofilme aus der Reihe „Schulmädchen-Report“, die zwischen 1970 und 1980 zu DEM deutschen Kassenschlager wurden. Im pseudo-wissenschaftlichen Aufklärungston wurden immer wieder dieselben Szenarien durchgespielt (das erste Mal, die Verführung einer Autoritätsperson, die illegitime Affäre, Inzest, Gelegenheitsprostitution, Vergewaltigung etc.), die Protagonistinnen waren angeblich Schülerinnen, die (angeblich) nichts lieber taten und den ganzen lieben langen Tag auch nichts anderes wollten, als erwachsene Männer „verführen“.
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Aber allein diese beiden Beispiele machen hoffentlich deutlich, dass die damalige gesellschaftliche Debatte zum Thema sexuelle Übergriffe von Erwachsenen auf Kinder breit und auf vielen (einflussreichen) gesellschaftlichen Ebenen geführt und von den Medien entsprechend auch transportiert wurde. Vor diesem Hintergrund – wie gesagt – konnten sich einerseits bereits aktive Täter nicht nur sicher, sondern sogar noch zu häufigeren Übergriffen ebenso angespornt fühlen wie solche Männer (und Frauen), die solche Übergriffe bislang nur phantasiert hatten. Außerdem bewirkte dieses gesellschaftliche Klima eine Schwächung des Schutzes von Kindern vor sexuellem Missbrauch, weil es diejenigen, die vielleicht nicht ganz so „fortschrittlich“ dachten, verunsicherte und/oder mit dem Stigma der „Rückständigkeit“, „Spießigkeit“, „Verklemmtheit“ usw. zum Schweigen brachte. Mal ganz abgesehen davon, dass natürlich allgemein die Wachsamkeit eines Umfeldes geschwächt wird, wenn Taten, die nach den Gesetz zwar Straftaten sind, öffentlich von Wissenschaftlern (!) und anderen einflussreichen Kreisen als „fortschrittlich“ und von den Kindern/Jugendlichen erwünscht hingestellt werden.
Solange es also keine genaueren Untersuchungen zu den pädosexuellen Einflüssen in den 1968/70er Jahren gibt und wir hinsichtlich ihrer Opfer noch ziemlich im Dunkeln tappen, sollte man mit Behauptungen wie „…gar nicht so sehr praktiziert, sondern eher phantasiert“ doch etwas zurückhaltend sein.