Im Bildungsbarometer von Ludger Wößmann votieren 59 Prozent der Befragten für Studiengebühren. Und zwar für Gebühren, die nach dem Studium erhoben werden.

Das bezahlte Studium hat in Deutschland wenig Anhänger. Die Debatte darüber, ob der kleine elitäre Teil von Studenten für ihr Studium bezahlen sollte, lähmte schon in den 1990er Jahren jede Hochschuldebatte. Wer sich für das bezahlte Studium aussprach, wie es etwa Baden-Württembergs Klaus von Trotha oder ein gewisser Thomas Oppermann taten, der wurde in der Öffentlichkeit meistens schief angesehen – und von den Studenten gehasst. Die Studiengebühren wurden dennoch um 2007 in einigen Bundesländern eingeführt und danach sukzessive wieder abgeschafft. Die entscheidende Rolle spielte dabei die Demoskopie: Denn die Studierenden, sie waren stets rabiat gegen die Campusmaut – und auch die Öffentlichkeit war eher dagegen. Das hat sich jetzt gewandelt, jedenfalls, wenn man exakt und mit einer breiten Untersuchungsbasis nachfragt.

59 Prozent für nachgelagerte Gebühren

Wößmann2Das hat das ifo-Institut und sein Bildungsökonom Ludger Wößmann getan. Heraus kam: 59 Prozent der Befragten sind für so genannte nachgelagerte Studiengebühren. Das sind Gebühren, die je nach Einkommen des Akademikers nach dem Studium erhoben werden. Dafür spricht sich eine deutliche Mehrheit aus.

Uninformierte zu 44 Prozent für Gebühren

Interessant an Wößmanns Befragung ist die Zahl der Probanden – über 4.000. Und die Fragetechnik. Denn Wößmann fragte zunächst nur danach, ob Studierende Studiengebühren zahlen sollten. Da waren 44 Prozent dafür – aber immerhin 46 Prozent dagegen. 

Wößmann1

Mit Gebührenbefragungen wird – wie mit fast jeder Untersuchung, die die Meinung von Menschen erhebt – gerne ein wenig getrickst, es werden z.B. Fragen suggestiv oder biased gestellt, die Zahl der Befragten ist klein oder speziell ausgewählt. Wößmann versuchte es einmal anders – mit Aufklärung. Er wollte herausfinden, wie die Probanden auf Informationen zum Thema reagieren. Also verriet er den Teilnehmern seiner Umfrage, dass Personen mit abgeschlossenem Studium im Schnitt 2.450 Euro netto im Monat verdienen – solche mit abgeschlossener Lehre 1.850 Euro und jene ohne Abschluss 1.400 Euro netto. Offenbar weiß ein Teil der Leute nicht, welche Vorteile eine Studium mit sich bringt. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass Akademiker nicht nur mehr verdienen, sondern auch gesünder leben, später sterben etc.

Informierte zu 50 Prozent für Studiengebühren

Wößmanns Probanden reagierten auf die Information – die gaben auf die gleiche Frage eine andere Antwort: Nun waren plötzlich 50 Prozent für Studiengebühren. Genau sagten 14 Prozent, sie seien „sehr für Studiengebühren“ und 36 Prozent, sie seien „eher dafür“. (Die Werte ohne Information lagen vorher bei 11 bzw 33 Prozent, wir sehen also eine Steigerung um sechs Prozentpunkte.) Wößmann3

Bei den Menschen ohne Hochschulstudium lag die Zustimmung zu Studiengebühren mit Informationen sogar bei 56 Prozent. Akademiker antworteten hingegen nur zu 38 Prozent, dass sie für Gebühren seien. An dieser Stelle ist es vielleicht einmal wichtig, auf den demokratischen und ethischen Gehalt der Gebührenfrage einzugehen: Wie kann es eigentlich sein, dass eine geringe Zahl von Akademikern, die selbst massiv von einem Studium profitiert haben – und das auch noch umsonst, dass sie also die Entscheidung darüber dominieren, ob Gebühren erhoben werden? Immerhin sind 56 Prozent der Nichtakademiker für Gebühren. Eine Mehrheit. Das sind also jene, die das Studium anderer mit ihren Steuern bezahlen, aber selbst überhaupt nichts davon hatten oder haben.

Ich bin nicht ganz sicher, ob das der Sinn einer aufgeklärten Demokratie sein kann: Diejenigen, die durch ein Studium mehr verdienen, laden es den erst Nichtstudenten auf, ihr Studium zu bezahlen – und entscheiden dann in der Politik (in der sich beinahe ausnahmslos Akademiker befinden), dass die Handwerker und Nichtstudenten weiter für den Studierendennachwuchs aufkommen sollen. Wir sprechen übrigens nicht von Studiengebühren wie in Amerika von 10.000 bis 36.000 Dollar, wir sprechen von 1.000 Euro pro Jahr. 83 Euro im Monat.

Kurz zu anderen Umfragen, die etwas von der Meinungskraft der Akademiker zeigen. In Bayern sagten 72 Prozent der Befragten, dass sie für die Abschaffung der Gebühren seien. Das war im Jahr 2013, die Freien Wähler Hatten damals mit einem Volksbegehren zu Studiengebühren gedroht, prompt verzichtete die CSU von sich aus auf die Erhebung von Gebühren. Statista führt eine Umfrage, nach der 65 Prozent der Deutschen dafür sind, „dass der Besuch einer Universität kostenlos sein sollte“. In der EU sind 59 Prozent dieser Ansicht. 25 Prozent sagen, es sei nötig, eine Campusmaut zu erheben, um die Qualität des Studiums zu gewährleisten.

Bildschirmfoto 2015-09-01 um 07.18.43

Befragungen unter Studenten sind eindeutig: Sie sagen in der Regel zu 70 Prozent, dass Studiengebühren nicht erhoben werden sollen. Die vielleicht wichtigste Studie zu Gebühren wurde quasi unterdrückt. Das WZB in Berlin, eine der Top-Adressen für Sozialforschung, wollte im Jahr 2011 wissen, ob Studiengebühren von 83 Euro pro Monat sich eigentlich auf die Studierneigung von Bewerbern auswirken. Die Untersuchung war damals besonders gut auszuführen, weil es in Deutschland einen Flickenteppich von Ländern mit und ohne Bezahlstudium gab.

Das nüchterne Ergebnis: Nein. Studenten lassen sich kaum davon beeinflussen, ob und was sie studieren bei einer so geringen Gebühr. Das geradezu sensationelle Ergebnis der Studie war dieses: vor allem Studierende aus nichtakademischen Haushalten wählten damals das Studium auch in Bundesländern, die Gebühren verlangen – weil sie wussten, dass ihnen das Studium Vorteile bringen würde. Mit denen sie die Gebühren dann wahrscheinlich wieder einspielen können. Marcel Hellbig, der die Studie machte, ist selbst erklärter Gegner von Gebühren. Aber als Wissenschaftler hat ihn diese Meinung nicht von seriöser Forschung abhalten können. Das bedeutet: Die Frage der Studiengebühren ist nicht abgeschlosse. Denn die Haltungen zu ihnen hängen von der Art der Fragestellung und der Qualität der Informationen ab.