Täglich schlagen bei mir als Antwort auf den Warlord-im-Kostüm-Kommentar bei Spiegel-Online Leserbriefe wie kleine Bomben ein. Es gibt dabei ein typisches Muster (Beschimpfung; Behauptung, Förderschulen seien toll; These, Inklusion gehe gar nicht, schon gar nicht am Gymnasium) und meistens wenig Informiertheit.
Daher hier Ausrisse aus typischen Leserbriefen. Mit eingestreuten Antworten. – Gerade kommt der berührende und schöne Leserbrief einer Sonderpädagogin herein. Vielleicht lesen wir erst diese Zeilen, ehe wir uns der Bitternis und Beschränktheit zuwenden.
Leserbriefbeispiel Zuversicht:
Hallo Herr Füller,
ich habe gerade eben erst Ihren Kommentar zur Klage der Bremer Schulleiterin gelesen. Als schier unerträglich empfand ich die darunter angestauten Kommentare. Liest man sich diese als Autor tatsächlich alle durch? Vor allem Äußerungen wie „19 Schüler müssen auf einen warten“ zeigen doch, wie notwendig die Verwurzelung des inklusiven Gedankens in unserem Alltag ist. Warum können denn 19 andere nicht auf den einen warten, der ein paar mehr Stolpersteine auf seinem Weg findet oder ihm sogar helfen, diese einfacher zu überwinden? Das ist kein rosarotes Geplänkel, sondern tatsächlich möglich. Ich arbeite seit vier Jahren als Sonderpädagogin im gemeinsamen Lernen in einer Grundschule in Bielefeld. Natürlich habe ich einiges an der jetzigen Umsetzung der Inklusion an Schulen zu meckern. Auch wenn in meinen Augen vor allem die Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf oftmals zu kurz kommen, so ist die „Schule für alle“ dennoch unabdingbar und fußt auf das individuelle Recht der Teilhabe an Bildung, am gesellschaftlichen Leben etc. In der Praxis sind gerade die GL-Klassen (Gemeinsames Lernen) bei Eltern der „Regelkinder“ beliebt, da ihre Kinder neben dem Erwerb fachlicher Fertigkeiten (das lernen begabte Schüler auch, wenn man Ihnen einen Hund vorsetzt) vor allem emotionale sowie soziale Fähigkeiten ausbilden. Vielfalt als Normalität, wenn nicht sogar als Bereicherung sehen zu können, ist ein Geschenk und wichtige Voraussetzung, wenn man in einer sich stets wandelnden Gesellschaft bestehen und nicht als im Selbstmitleid versinkender Wutbürger enden will.
Also, lange Rede kurzer Sinn. Vielen Dank für den Kommentar und Kopf hoch, es werden noch einige „Rosa Parks“ die Schulbank drücken.
Viele Grüße
Pisaversteher antwortet:
Danke!
Leserbriefbeispiel Nummer 1:
Sehr geehrter Herr Schneider,
Pisaverstehers Antwort:
Ich heiße Füller, Christian Füller. (Mein Vater war Schneider)
Ihr Artikel und da ganz besonders Ihre Wortwahl, die eine Idee Ihres Denkens eröffnet, haben mich erschüttert. Ich habe AFD-Diktion nur aus der gegenüberliegenden Ecke vernommen. Emotionalisierend, genau wissend, was richtig, was falsch ist und am schlimmsten: Andersdenkende in einer schlimmen Art und Weise diskriminierend. Er unterstellt der Schulleiterin ein wenig ‚an der Rampe in Ausschwitz zu stehen‘.
„Sie mißachtet die Menschenrechte“,
„..kann man mit dem Verhalten eines Warlords im Schurkenstaat vergleichen“
„Schulleiterin Kelm kann sich auf das ungesunde Volksempfinden berufen“ usw.
Und dieses Thema mit der Rassentrennung zu vergleichen ist so jenseitig und falsch, dass ich nicht drauf eingehe. Schwarze waren soweit ich weiß nicht behindert in ihren Möglichkeiten der Teilhabe.
Pisaverstehers Antwort:
„Erst haben sie Kinder mit Downsyndrom umgebracht, dann haben sie sie ,in Watte gepackt‘ und de facto in Sonderschulen weggesperrt, jetzt wissen sie nicht mehr, was sie tun sollen“. Zitat einer Mutter aus einem Text im Freitag
Journalismus sollte sich mit den Argumenten der Andersdenkenden auseinandersetzen, sie nicht entwerten. Das gilt auch für Kommentare.
Ich empfehle Ihnen dazu die Kolumne von Martenstein in der ZEIT Nr. 15 vom 5.4.2018.
Auch könnte es unterstützend sein mal an Schulen zu gehen und sich anzusehen was Inklusion praktisch bedeutet, – für alle Beteiligten.
Pisaverstehers Antwort:
Ich habe Inklusionsschulen gesehen, erlebt und recherchiert. (Z.B. Waldhofschule Templin, in: Gute Schule: wo unsere Kinder gerne lernen, Pattloch 2009, Beltz 2010)
Ich weiß nicht wer mit einem halbwegs gesunden Menschenverstand auf die Idee kommen kann, am Gymnasium ein mehrfach behindertes Kind unterrichten zu wollen.
Pisaverstehers Antwort:
1) wie kommen Sie auf mehrfach behinderte Kinder?2) Ich habe die gesicherte Erkenntnis, dass eine Individuelle Förderung in heterogenen Lerngruppen möglich ist. Das gibt es seit vielen Jahren in der Praxis. Ich hab’s nicht erfunden, aber immerhin gesehen. Tausende Lehrer können das bestätigen. (Bericht vom Inklusionskongress in Köln, 2010)
Wir hatten mal ein herausragend gutes und anerkanntes Förderschulangebot in diesem Lande.
Pisaverstehers Antwort:
Förderschulen fördern nicht, sd sie senken die Leistungen ihrer Kinder. Das zeigen Studien der besten Pisa-Forscher.Zitat aus einem Text des Zeit-Kollegen Spiewak:
„Ein Detailergebnis erscheint dabei besonders kurios: Schüler aus Sprachheilschulen zeigen keinen Leistungsnachteil in Mathematik, wohl aber bei der Sprache (Lesen und Zuhören) – ausgerechnet also in jenem Bereich, für den diese Sonderschulen eingerichtet wurden.“
Siehe dazu auch Lisa Pfahl, Hans Wocken und Vernor Munoz: dieses herausragend schlechte System (80% der Schüler verlassen die Förderschule ohne Abschluss), muss sofort abgeschafft werden – von einem kleinen Restbestand von Schonraum-Schulen abgesehen.
Ich hatte schon manchmal das Gefühl, dass spiegel online zuweilen so eine Art Bildzeitung für Intellektuelle ist. Meine Freunde haben immer eher abgewiegelt. Beim
Lesen Ihres Kommentars habe ich mich an meine frühere Einschätzung erinnert.
Mit freundlichen Grüssen
[Die Frau ist „Biografieberaterin“. Die Biografien Behinderter zu entwickeln behindert sie aber.]

Leserbriefbeispiel Nummer 2:
Sehr geehrter Herr Fuller,
Ich finde es schade, daß Sie sich keine Mühe gegeben haben, wenigstens oberflächlich zu recherchieren.
Es geht in dem Fall nicht um die Verhinderung der Inklusion, sondern um:
1. Einen Widerspruch im Bremer Schulgesetz zur verlangten Praxis. Hier ist Klärung also mehr als angebracht.
Pisaverstehers Antwort:
Es geht nicht um Verhinderung der Inklusion? Falls die Schulleiterin mit ihre Klage durchkommt, ist ein bundesweites Signal gesetzt: dann werden Gymnasien künftig von Behinderten „befreit“ bleiben.
2. Etwas, was nicht eingeklagt werden kann, nämlich die notwendige Ausstattung um Schüler mit Handicap überhaupt beschulen zu können.
Pisaverstehers Antwort:
Ich befürchte mit Wort „beschulen“ kommen wir hier nicht weiter. Es geht um Lernen in heterogenen Gruppen, mit Beschulen ist da nichts mehr zu holen. Es sind ganz andere Lernarrangements nötig. >>> individuelles Lernen, siehe u.a. hier.
Auch auf die Gefahr hin persönlich zu werden. Sie sind kein Journalist, wenn Sie nicht in der Lage sind (oder sein wollen), ordentlich zu recherchieren. Lassen Sie es bitte und wählen Sie einen anderen Job, bei dem Sie Ihre Meinung, die nichts mit der Realität zu tun hat, für sich behalten.
Wenn Sie einen Funken Anstand haben, entschuldigen Sie sich öffentlich bei der Schulleiterin.
Pisaverstehers Antwort:
Die Schulleiterin des Gymnasium Horn ist eine Person des öffentlichen Lebens. Sie verstößt nicht nur gegen Menschenrechte, sie klagt sogar dagegen. Die politischen Folgen einer erfolgreichen Klage (siehe oben >>> bundesweites Signal) wären verheerend – für die Rechte behinderter Menschen. Darüber ist es meine Pflicht zu schreiben, nein: es zu kommentieren.
Mit freundlichen Grüßen
…
(Ehem. Mitglied des ZEB Bremen)
Mit dem engagierten linksliberalen Ex-Elternsprecher gab es ein Telefonat. Darin sagt er:
Nachtrag #Inklusion: linksliberaler Elternsprecher aus Bremen sagt mir, es sei UNGERECHT, wenn Behinderte aufs Gymnasium kommen, NUR WEIL SIE BEHINDERT SIND
PS. Seine Tochter besucht inklusives Gymnasium – aber er findet Klage Gymi Horn gegen #Inklusion: richtig #gagaparents
— christian füller (@ciffi) April 16, 2018
https://platform.twitter.com/widgets.js
Leserbriefbeispiel Nummer 3
Pisaverstehers Antwort:
Sg Frau NN. ,
nur kurz, weil Sie derart viel Unsinn schreiben, dass man nicht alles reparieren kann. Es gibt eine Reihe von Studien, die zeigen, dass in Sonderschulen „kognitive Friedhofsruhe“ herrscht und sie deswegen den Kindern massiv schadet. (Hamburger Studie von Hans Wocken). Eine Studie des IQB hat anhand von Veradaten den Lernfortschritt von Kindern mit Handikaps in Sonderschulen gemessen und verglichen mit dem in Regelschulen. Das Ergebnis ist eine Katastrophe – für die Förderschulen. (Studie des IQB, made by Petra Stanat)
Siehe Links etc bei Pisaversteher.com
Wissen Sie eigentlich, was ein Menschenrecht ist? Schauen Sie bei Gelegenheit mal nach, bringt Sie dann evtl auf den Stand des 21. Jahrhunderts.
„Erst haben sie Kinder mit Downsyndrom umgebracht, dann haben sie sie ,in Watte gepackt‘ und de facto in Sonderschulen weggesperrt, jetzt wissen sie nicht mehr, was sie tun sollen“. (Zitat einer Mutter)
https://www.freitag.de/autoren/christian-fueller/wieso-weshalb-warum
Herzlich
Christian Füller
Am 17.04.18 um 20:50 schrieb Dr. S.
> Sehr geehrter Herr Füller,
>
> ich frage mich, ob Sie Lehrer kennen, die diesen Wahnsinn der Inklusion
> mitmachen müssen (und darüber krank werden). Und ob Sie Eltern kennen,
> deren Kinder nicht gefördert werden, weil die Lehrer mit den
> Inklusionskindern überfordert sind. Und ob Sie Lehrer kennen, die
> berichten, was das Schulamt an Manpower für die Inklusionskinder
> versprochen hat – und die natürlich dann wieder gestrichen wird. Und ob
> Sie mitbekommen habe, dass in manchen Grundschulen die Inklusionskinder
> bereits „abgestellt“ werden – irgendwohin, wo sie nicht stören.
>
> Ich kann mich nur einem Artikel der SZ vor vielen Jahren anschließen,
> der kurz nach Einführung der Inklusion befand, dass Deutschlands
> herausragendes Sonderschulsystem (individuelle, wenn nicht
> individuellste Förderung) ins Mittelalter zurück katapultiert wird –
> übrigens nicht mit der UN-Konvention, sondern so, wie sie umgesetzt
> wird. Hilft es denn wirklich den Kindern, wenn sie inkludiert werden,
> oder fühlen sich nur die Eltern besser?
>
> UN-Konvention hin oder her, im Gymnasium haben Kinder nichts zu suchen,
> die den Anforderungen des Gymnasiums nicht gewachsen sind, und das hat
> nichts mit Inklusion oder Menschenrechtsverstoß zu tun.
>
> Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bin dafür, dass Kinder mit
> Behinderungen an ein Gymnasium kommen, wenn sie die Voraussetzungen
> dafür haben. Aber wenn ein Autist aggressiv wird, weil er zuviel Input
> bekommt oder wenn die anderen Kinder ständig auf so ein Kind Rücksicht
> nehmen sollen, dann hat das eben auch etwas mit Benachteiligung von
> anderen zu tun. Da bin ich gespannt, wie (am liebsten in letzter
> „Instanz“ das Bundesverfassungs-) Gericht die Abwägung der Grundrechte
> trifft.
>
> Ich habe glücklicherweise keine eigene Erfahrung mit Inklusion, sondern
> beurteile das aus den Erzählungen von Freunden und Bekannten, die
> Grund-, Haupt- und Gymnasiallehrer sind, deren Kinder Inklusionskinder
> in der Klasse haben und sich gestört fühlen – und das nicht erst im
> Gymnasium. Wissen Sie eigentlich, wie „witzig“ es ist, wenn Ihr
> Grundschulkind in der 1. Klasse nach Hause kommt und seinen behinderten
> Klassenkameraden nachahmt? Was sagen Sie diesem Kind eigentlich? Hör
> auf, Dich wie ein Behinderter aufzuführen? Oh, toll, was Du da gelernt
> hast, aber lass es trotzdem bleiben, es könnte falsch verstanden werden?
> Wenn Sie mich fragen, funktioniert Inklusion überhaupt nicht und am
> meisten leiden die Inklusionskinder, die nicht mehr bestmöglich
> gefördert werden. Aber wissen Sie, wer profitiert? Die Staatskasse.
> Sonderschullehrer sind nämlich zig Mal so teuer wie Sozialarbeiter, die
> man mal eben neben einen Autisten setzt.
>
> Soviel zu diesem unerfreulichem Thema.
>
> Mit verbindlicher Empfehlung
> Dr. S