Unternehmen wie Telefónica, Sofatutor, Simpleclub und Bettermarks zeigen den Schulministern wie digitales Lernen geht. Sie könnten Lehrer schnell mit Dienstgeräten versorgen – und mit Lerninhalten. Telefónica-CEO Markus Haas im Gespräch

Der Text erscheint vollständig im Tagesspiegel Background Digitalisierung. Das Interview mit Markus Haas gibts nur hier

Als vor ein paar Tagen an der Alexander-Coppel-Gesamtschule in Solingen der Fernunterricht untersagt wurde, wusste die Bildungsrepublik, was die Uhr geschlagen hat. Seit März hatten die Schulminister der Länder Zeit, die Schulen für erneute Schließungen fit zu machen. Sehr viel mehr als die Versorgung der Schule mit Seife, Handtüchern und demütigenden Lüftungshinweisen für Lehrer ist nicht herausgekommen. Bundesweit sind bereits Tausende Schulen und allein 300.000 Schüler wieder in Quarantäne. Ein interner Lagebericht der Bundesregierung legt jetzt nahe: Schulen sind Infektionsherde. Ein ungehinderter Online-Kontakt zwischen Lehrern und Schülern ist allerdings noch immer nicht möglich: Lehrkräfte haben keine Dienstgeräte, der digitale Schulbuch-Ersatz versinkt im Streit, und die Konferenz der Kultusminister berät und berät und berät. 

KMK berät, Industrie legt Bypass

Der Industrie geht das offenbar zu langsam angesichts der erneuten Risikolage. Eine ganze Reihe von Initiativen sorgt nun nach Informationen des Tagesspiegel Background Digitalisierung dafür, dass die Industrie den Bypass für die Schulpolitik der Länder legen kann. Der Netzbetreiber Telefónica sowie die Inhalteanbieter „Bettermarks“, „Simpleclub“ und „Sofatutor“ könnten Deutschlands Lehrkräfte in kurzer Zeit online stellen und flächendeckend lehrplangerechtem Lernstoff bereit stellen. Markus Haas von Telefónica über sein Angebot

„Nicht jeder Lehrer hat Zugriff auf ein Endgerät“

Frage: Herr Haas, wie kamen Sie bei Telefónica/O2 auf die Idee, für Lehrer ein Dienstgeräte-Paket zu schnüren?

Antwort: „Wir wollen an den Schulen etwas bewirken. Viele von uns haben Erfahrungen mit eigenen Kindern in der Zeit der Schulschließung gemacht. Da haben wir uns gefragt: Woran hakt es denn eigentlich? Studien zeigen uns seit Jahren, dass das Bildungssystem als Ganzes unter dem geringen Zugriff auf Hardware, der mangelnden Vernetzung und der fehlenden IT-Prozessbegleitung leidet. Daraus ist unser Digitalpaket entstanden. Wir wollen den Lehrern und Schulen etwas anbieten, das sie sofort vernetzt – und obendrein eine Servicehotline enthält, wo die Pädagogen im Zweifel Tag und Nacht anrufen können. Wir hoffen, dass viele Lehrer und Schulen es nutzen. Auch die Engstelle des Breitbands an vielen Schulen können wir mit unserer unbegrenzten mobilen Datenflatrate umschiffen. Mit einem Satz: Wir wollten eine Lösung, die einfach ist und schnell umgesetzt werden kann, um möglichst viele Schulen zu erreichen. Das war das Ziel.“

Wer kann alles auf das Angebot zugreifen?

„Lehrer und Schulen können es nutzen. Das bedeutet, dass die Schulen die Geräte im Unterricht selbstverständlich auch Schülern geben können. Die einzige Einschränkung besteht darin, dass wir im Rahmen des Angebots mit Schülern oder Eltern keine Verträge schließen. Es richtet sich an Lehrer und Schulen.“

Wenn 200.000 Lehrer Nachfragen hätten – schaffen Sie dann überhaupt den Support?

„Wir würden uns zunächst freuen, wenn möglichst viele Lehrer oder auch Schulen dieses Angebot annehmen. Wenn wir über die Zeit ein Viertel der Lehrer erreichen würden…

… von insgesamt 800.000 Lehrkräften….

… dann wäre das in meinen Augen ein Riesenerfolg. Wir haben insgesamt über 46 Millionen Kunden im Mobilfunk und Festnetz. Das heißt, wenn nicht alle 200.000 Lehrer auf einmal anrufen und es nicht gerade Freitagabend 22:00 Uhr ist, dann traue ich meinem Team durchaus zu, den Lehrern helfen zu können.“

Sie sprechen von persönlichen Erfahrungen mit Coronaschule. Was haben Sie da erlebt?

„Ich habe zwei Töchter in der Schule. In den ersten Tagen des Lockdowns lief es ein bisschen chaotisch. Wie wahrscheinlich überall. Teilweise wurde über die gelbe Post, E-Mail oder WhatsApp kommuniziert – jeder hat sich da so seinen Weg gesucht. Es fehlte aber die Struktur. Mir hat der persönliche Einsatz zahlreicher Lehrer im Verlauf der Pandemie dann richtig imponiert, die haben vieles möglich gemacht. Aber natürlich haben wir Eltern gemerkt: die technologische Basis, sei es Hardware oder die Netzanbindung – die war einfach nicht gut. Wenn wir in andere Länder schauen sind wir hier schlechter als Kasachstan aufgestellt. So ähnlich habe ich das auch empfunden. Ich habe richtig ulkige Momente erlebt.“

Welche waren das? 

„Etwa wenn Eltern sich in die Zoom-Konferenzen mit den Schülern regelrecht „gehacked“ haben, weil sie endlich einmal eine Lehrkraft erwischen konnten. Per E-Mail ging das oft nicht. Wenn jetzt wieder eine Schulschließung käme, dann würde das sicher weit besser laufen. Aber machen wir uns nichts vor. Es ist leider immer noch nicht so, dass jede Lehrkraft Zugriff auf ein dienstliches Endgerät hat – und damit auch nicht auf die Software, die nutzbar ist. Da haben viele deutschen Schulen noch große Defizite. Für uns ist das ein wichtiger Grund, jetzt zu helfen, damit die Lehrer Gas geben können.“

Bund und Länder verhandeln seit vielen Monaten über ein Dienstgeräte-Programm des Staates. Wie schnell könnten Sie die Lehrer mit Geräten und Anschlüssen versorgen?

„Wir schaffen es locker, mehrere 10.000 Lehrer pro Woche zu versorgen. Das ist ja unser Job. Der Simkartenversand funktioniert bei unseren Privatkunden reibungslos, die Logistik der Geräte mit unterschiedlichen Herstellern ist aufgebaut. Wir werden uns dafür ins Zeug legen, alle Lehrer schnell anzuschließen, die bisher nicht versorgt sind und die sich digitalisieren wollen. Das Angebot ist jetzt da, und es ist nicht limitiert.“

Dieses Angebot macht Sie nicht ärmer, sondern es ist ein Geschäft für Sie. Gibt es darin auch einen Gemeinwohlanteil? 

„Wir sind mit der unbegrenzten Datenflatrate für rund 10 Euro bis an unsere Schmerzgrenze gegangen. Das ist ein Preis, den wir für die Digitalisierung der Lehrer und der Schulen zu zahlen bereit sind. Auch die Endgeräte sind nicht umsonst. Im Übrigen müssen wir auch ansonsten richtig investieren. Denn die in dem Paket enthaltenen Serviceleistungen sind zeitlich nicht begrenzt. Die Lehrer*innen können das nutzen, so oft sie es brauchen. Uns geht es darum, die Schule besser zu machen, indem wir die Lehrer und Schulen wirksam vernetzen.“

Warum haben Sie Apple-Tablets als Geräte gewählt?

„Wir starten jetzt mit dem Gerät dieses Herstellers, weil es einfach zu bedienen ist und eine hohe Nachfrage besteht. Aber es gibt da keine Exklusivität. Wir arbeiten mit allen Anbietern zusammen. Das heißt, wir können uns vorstellen, auch andere hochwertige Tablets oder Laptops in dieses Programm mit aufzunehmen. Darum geht es in meinen Augen im Moment aber noch nicht: Wir gehen jetzt mit dem Angebot in der Form raus, damit sich etwas bewegt.“