Philologen zeichnen Unterschichtsschule aus und lassen Ghetto-Rektorin Katja Riemann reden

Der Lehrerpreis hat sich gemausert. Vor einigen Jahren war das eine lieblose Veranstaltung für die Schönen und Reichen, die nebenher so taten, als würden sie Lehrer wertschätzen. 2007 wars ganz schlimm, 2009 nur ein bisschen besser.  

Heute ist das anders. Ganz anders. Es geht so weit, dass der Lehrerpreis so etwas wie Veränderung in sich trägt.

Dazu muss man wissen, dass die Veranstalter der Philologenverband und die Vodafone-Stiftung sind. Die Philos sind die Standesvertretung der Lehrer an Gymnasien, und als solche nicht immer die Speerspitze der pädagogischen Revolution. Deswegen ist es bemerkenswert, dass in der Preiskategorie „Unterricht innovativ“ durchgehend Projekte ausgezeichnet wurden, die alles repräsentieren – nur nicht das Lehrerbild der Philologen. Die Gewinner vom sogenannten Stockwerkmodell, einer Schule in Biberach, die die Klassen und Fächer aufgelöst hat und auf dem ganzen Stockwerk individuell lernen lässt, sagten es explizit: „Wir stehen nicht mehr vor der Klasse! Wir interpretieren die Lehrerrolle ganz anders.“

Die Leute kommen von der Gemeinschaftsschule in Biberach, einer früheren Hauptschule also, die dank Grün-Rot nun auch Gymnasiasten aufnehmen darf und für die Philologenchef Heinz-Peter Meidinger üblicherweise nicht viel übrig hat. Selbst die örtliche Realschule in Biberach weigerte sich, mit der Mali-Schule zu fusionieren. Der örtliche Philologen-Kollege Bernd Saur aus Baden-Württemberg hält Gemeinschaftsschulen grundsätzlich für Kokolores – und er wendet sich ganz explizit gegen jenes Lernen, das sein deutscher Oberphilologe in Berlin gerade mit dem ersten Preis für innovativen Unterricht auszeichnete. * (Siehe unten)

Da ist also so etwas wie eine Revolution im Gange: Den 1. Platz beim Lehrerpreis bekam eine Schule, die in Projekten, mit Lerntagebuch und Wochenplan lernt, und das ganze jahrgangsübergreifend. Also alles das tut, was Philologen sonst Quatsch finden. Den zweiten Preis gewann ein Projekt, das durch die Lerneinheit „mission2mars“ verschiedene naturwissenschaftliche Fächer zusammen führt. „Wir wollten innerhalb des bayerischen Lehrplans bleiben – deswegen eine Marsmission“, sagte einer der Lehrer ironisch. Und im Projekt PadUcation@RSG in Gauting wird mit Tablets in jedem Fach gearbeitet – da sagte dann einer der Preisträger: „Wir erleben einen Leitmedienwechsel, den die Schüler mit ihren Smartfones längst vollzogen haben – aber wir Schulen hinken hinterher.“

Dass sich beim Philologenverband was tut, konnte man schon an der Einladung von Katja Riemann erkennen. (Quelle: Constantin Film)

Die Schauspielerin, geladen als kratzbürstige Schulleiterin „Gudrun Gerster“ aus der Unterschichtsschule Fack ju Göhte spielte ihre Rolle grandios – auch beim Lehrerpreis. Riemann sagte mehrfach Scheiße, sie zickte den armen Moderator Martin Spiewak von der ZEIT an und definierte eine „ganz normale Berliner Schule“ so: „Da musst du dem Kind eine Klorolle und ein Stück Seife mitgeben.“ Riemann war bisschen polterig, aber herzerfrischend und sie sprach halt auch viele Wahrheiten aus. (Riemann Rede wird geliefert, sobald sie online gestellt wird – was nicht sehr wahrscheinlich ist ;-)) 

Wer hätte das gedacht! Den Hauptreis bei den Philologen erhält eine Schule, die man offiziell wie eine Schule für Aussätzige behandelt. Die Hauptrede bei den edlen Philologen hält eine Rektorin aus der Ghettoschule – und benimmt sich auch so. Großartig.

Was war ärgerlich? Die vielen Plattitüden, bei denen es darum ging, dass es auf den Lehrer ankommt, „einmal Lehrer, immer Lehrer“, endlose Zitatketten von John Hattie und der aufgewärmte Blogpost eines MdB, der diese Binse wirklich unironisch aufzusagen bereit ist: Auf dem Lehrer kommt es an – wirklich!!! 

*„Hände weg vom Gymnasium“. Was die einen als die große Chance der Gemeinschaftsschule sehen, nämlich die Heterogenität der Schüler, ist für Saur der programmierte Grund für ihr Scheitern: »Wenn es darum geht, die Vorbereitung für das Englisch-Abi voranzutreiben, sollte da schon bei der Motivation ein hohes Niveau vorhanden sein.«