Der Stifterverband für die Wissenschaft gibt ein Online-Magazin heraus. Verraten Sie uns Ihre Meinung: Was ist das für eine Publikation?
Der Stifterverband der Wissenschaft ist eine professionelle Geldsammelstelle für die Wissenschaft. Wer eine Stiftung gründen will, die sich Forschung und Erkenntnis verschreibt, der wendet sich an den Verband. Dort bekommt er Rat und Tat. Wahnsinnig progressiv ist der Verband nicht – immerhin berät er vermögende Leute, die ihr Geld in die Unis stecken wollen.
Nun aber ändert sich alles. Stifterverband goes Internet, und zwar mit einem neuen piekfeinen Online-Magazin namens Merton.
„Wir wollen Ihre – des Lesers – Aufmerksamkeit durch möglichst gute Geschichten erlangen“, steht in der Selbstbeschreibung. „Alles, was Sie hier lesen, sehen und hören können, dient dem Zweck, zu zeigen, was Wissenschaft zu leisten vermag und warum sie für unsere Gesellschaft eine so zentrale Rolle spielt.“
Die Magazinmacher, unter ihnen die besten Digi-Leute, die auf dem Markt zu finden sind, verschreiben sich dem Geschichtenerzählen.
„Personalisiertes Storytelling, wie wir es hier im MERTON-Magazin umsetzen wollen, ruft geradezu nach Bilderstrecken, nach Audio- und Videoinhalten, die das geschriebene Wort ergänzen und vertiefen.“
Die ersten Stücke sind so, dass ich gerne Ihre Meinung dazu hören würde.
- Eine Kolumne über Professoren-Watch-Blogs, geschrieben von Patrick Breitenbach
- Ein Interview mit Linda Breitlauch, ihres Zeichens Professorin für Gamedesign
1) Die Watch-Blog-“Kritik“
Patrick Breitenbach, der sich als „gelernter Mediendesigner und langjährige Blogger“ vorstellt, der „sich seit vielen Jahren autodidaktisch mit Soziologie, Philosophie, Wirtschaft und Politik“ befasst, widmet sich so genannten Professoren-Watch-Blogs. Das sind vordergründig Blogs, in denen Studierende im Web mit ihren Professoren in Dialog treten, in ihrer bisherigen Erscheinungsform treten sie freilich als anonyme Kritik- und Diffamierungsblogs auf. Die Studierenden äußern sich gegenüber den Professoren nicht im Seminar – sondern sie schreiben anschließend böse Texte.
Breitenbach beurteilt Watch-Blogs positiv. Er findet, dass durch sie die „eigentlich spannende Debatte, die kritische Auseinandersetzung – wie man sie in Universitäten eigentlich vermutet – plötzlich nur noch rein virtuell und unter anonymer Urheberschaft stattfindet“. Der Mediendesigner entdeckt einen gewissen Voyeurismus beim Zuschauer. Die aus den Blogs entstehende Medienkaskade bediene „die voyeuristische Lust der Zuschauer am Machtkampf.“ Breitenbach macht sich kaum Gedanken über die Autoren des Blogs und ihr Motiv, anonym zu bleiben. Seine Kritik richtet sich gegen die Hochschule: „Niemand scheint sich in den Einrichtungen dazu berufen zu fühlen, diesen asymmetrischen Disput im Sinne von Bildung und Aufklärung vernünftig zu klären und darin zu vermitteln. Das ist der eigentliche Jammer.“
Dann kommt ein langer Satz, den ich komplett zitieren will:
Die aufpoppende Existenz von Watchblogs bietet jedenfalls genug Anlass zu einer breiten und offenen Reflexion rund um die Frage, ob eine deutsche Universität im Jahre 2015 ein Ort der gegenseitigen Bildung und der Habermas’schen herrschaftsfreien kritischen Auseinandersetzung sein soll oder ob sie eher ein Ort der einseitigen frontalen Ausbildung, der gekränkten Eitelkeiten, der unterschwelligen Angst aufgrund von Leistungsdruck und der Machtspiele um Deutungshoheiten bleibt?
Ich bin nicht mehr wahnsinnig oft an der Uni, gleichwohl geschieht es doch immer wieder. Ehrlich gesagt, ich habe noch kein Seminar „der frontalen Ausbildung“ erlebt. Ich habe noch keinen Studenten erlebt, der nicht zu Wort gekommen wäre. Eher muss man die Studis locken, damit sie mit ihrer Meinung hinter dem Berg hervorkommen.
2) Das Interview mit Linda Breitlauch…
… geht über die faszinierenden Möglichkeiten der Games für das Lernen. Breitlauch wird dafür als Expertin gehandelt, da sie Gamedesignerin ist. Lesen Sie das Interview selbst und beurteilen Sie die journalistischen Standards. Dazu könnte man einiges sagen, aber dazu vielleicht später einmal mehr. Was mich irritiert hat: Linda Breitlauch ist eine Toplobbyistin des Branchenverbandes „Game“, der ein Branche mit Milliardenumsatz vertritt. In dem sympathisch geführten Interview erfahre ich als Leser nichts davon. (Siehe Breitlauchs Biokasten: Auch darin ist sie Pionierin >>>)
Ich fand das keinen Hammerstart von Merton. Aber ich will gerne mal hören, wie Sie das finden.
Ist das ein Wissenschaftsmagazin, das den Diskurs in der Universität befördert?
Ist das Journalismus?
Oder was macht der Stifterverband da eigentlich?