Oder: die Enteignung der Schule
Einer der Lehrer aus dem Twitterlehrerzimmer hat eine Lehrerfortbildung laut einem Zeitungsbericht zu einer großen Produktshow gemacht. Das wurde kritisiert – und wie so oft bauten die Lehrer*innen keinen Diskursraum auf, sondern bildeten eine feste Wagenburg um den Lehrer, der wie der Vertriebspartner eines der Big5–Konzerne auftrat. Nina Bücker wünschte sich prompt mehr Fairness, kein Wort, dass ihr Kollege alle Grenzen überschritten hatte.
Hier unten kommentiert der Veranstalter der Fortbildung. Es ist typisch: er organisiert das „iPad-Netzwerk“ Aachen als Lehrer einer staatlichen Schule – aber er mag nur als Privatperson ohne Namen kommentieren.
Ich habe dazu ein Video gemacht. Und füge noch zwei Erfahrungen hinzu, um Nina auf einen Einwurf zu antworten, der kam, als das Video schon in der Mache war.
Nina meinte, man solle dem armen Tropf doch die Möglichkeit zur Selbstkritik geben und zunächst mal nachfragen.
Ja und Nein. Normalerweise checkst Du als Journalist direkt bei den Akteuren, wie es ganz genau war. Bei Lehrern – sorry, das zu sagen – habe ich das praktisch aufgegeben damit keine guten Erfahrungen gemacht. Wenn man die anruft, wird man häufig erst am Telefon angemault, warum man die jetzt „mitten aus dem Unterricht reißt“. Oder man wird auf Twitter mit falschen Behauptungen zitiert. Es gibt auch exzellente Erfahrungen, etwa mit Airless, Georg Schlamp, Tobias Schreiner, sowieso flipped Mathe, Björn Nölte und Bob Blume.
Im Falle des Werbers von Würselen lag zudem ein präziser Text vor – und eine Vielzahl von Tweets, die zeigen: ein Datenschutz-Moserer und jemand, der brachial als Werbebotschafter und Apple-was-weiß-ich-Superhero auftritt. Als Lehrer wird er meistens erst in der zweiten oder dritten Attribuierung vorgestellt. Deswegen: die Enteignung der Schule.
Allgemein lässt sich sagen:
Ruft man Lehrer an, um nachzuhaken, wird man abgewiesen, ruft man nicht an, wird man angeschwärzt.
Ich verstehe das übrigens: Lehrer*innen sehen sich nicht als öffentliche Person – sie sind es gewohnt, die Tür hinter sich zuzuziehen. Diese Eigenart behalten sie sogar auf Twitter, sie sind dann semiöffentlich: also Lob, Popcorn und „ich fahre jetzt los“-Tweets gehen immer. Aber Kritik, nein!, das geht gar nicht. Wenn man öffentlich kritisiert, dann muss man das achtsam tun.
Ich finde, das hat was. Nur, um das deutlich zu machen: Twitter ist nicht nur ein Lehrerzimmer, wo die Leute ihre Habseligkeiten in Schuhkartons sortieren und leise sprechen, Twitter ist auch eine Plattform des politischen Diskurses, wo alles rum(f)liegt und es auch mal laut wird. Was m.E. nicht geht: als @liginform öffentlich Werbung für Apple machen, aber im #twlz wie ein rohes Ei behandelt werden zu wollen, das bei Kritik sofort zerbricht.
PS: wenn ich schon die ersten Reaktionen sehe, merke ich, dass man aussprechen muss, was schmerzt: viele Lehrer*innen sind zutiefst unpolitische Menschen. Die von Journalismus und Kritik nix verstehen. Eine Kollegin etwa fordert, man müsse alle Schulentwicklungsgespräche nicht nur kennen, sondern dabei gewesen sein, um den öffentlichen schamlosen Werber von Würselen kritisieren zu dürfen. Das ist wie bei den Anthros: Kritik an Waldorfschulen erst, wenn man alle Werke von Steiner gelesen und gefühlt hat. PS 2: hier noch Bonusmaterial aus der Schule, wo man sehen kann, wie aus Tablets zunehmend Werbeikonen werden
Hallo,
ich gehöre zu den Veranstaltern des in der Zeitung beschrieben Netzwerktreffens. Ich bin nicht im Twitter-Lehrerzimmer und kann mich also nur auf diesen Post und das Video beziehen.
Die Grundannahmen dieses Blogs basieren meiner Meinung nach auf einer komplett falschen Faktenlage: Es handelte sich zum Beispiel um keine Fortbildung von Herrn Ligmann. Das in der Zeitung beschriebene iPad-Netzwerktreffen ist ein Zusammenschluss von Schulen in unserer Region, die sich für die Nutzung des iPads entschieden haben. Die Gründe der Schule für diesen Entschluss sind vermutlich sehr unterschiedlich. Entscheiden ist meines Erachtens, dass sich die Schulen bereits entschieden haben und jetzt ihre Erfahrungen austauschen!
Da Netzwerktreffen geht auch nicht in andere Schulen und macht da Werbung für ein bestimmtes Produkt. Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen aus und wollen gegenseitig von den Erfahrungen lernen. Daher haben auch wir als Veranstalter Herrn Ligmann eingeladen über seine Erfahrungen zu berichten, da wir gerade da stehen, wo seine Schule vor drei oder vier Jahren stand.
Die im Zeitungsartikel beschriebenen Passagen sind stark verkürzt und werden meiner Meinung nach in diesem Blogpost in einen falschen Zusammenhang gestellt. Zwei exemplarische Beispiele: So wurde von Herrn Ligmann tatsächlich (ganz kurz) das Apple Teacher Programm vorgestellt. Das war aber ein expliziter Wunsch der teilnehmenden Schulen! Bei der Frage um die verpflichtende Fortbildung ging es auch gar nicht um ein kommerzielles Angebot, sondern um die Frage, wie eine Schule einen sichtbaren Fortschritt bei der Digitalisierung erreichen kann. Daher ging es mehr um schulinterne verpflichtende Fortbildungen innerhalb eines Kollegiums (In dem Zeitungsartikel wird ja z.B. das interne Fortbildungkonzept Digitrain der gastgebenden Schule). So berichtete Herr Ligmann, dass sich die Teilnehmer der Tablet-Klasse seiner Schule während des Pilotprojekts alle 14-Tage zu einer Dienstbesprechung getroffen haben. Bei den teilnehmenden Netzwerkschulen ist dies im Moment nicht die Regel …
Um es am Ende noch einmal kurz zusammen zu fassen: Bei der Veranstaltung, bei der es im ursprünglichen Zeitungsartikel ging, treffen sich Schulen, die sich bereits entschieden haben iPads im Unterricht einzusetzen. Daher geht es natürlich um eine Austausch zu einem konkreten Produkt, da wir auch konkrete Probleme haben.
Als jemand der bei der Veranstaltung anwesend war (zumindestens war Herr Füller kein angelmeldeter Teilnehmer), wundert es mich schon, wie hier einige Dinge dargestellt werden, die meines Erachtens nicht auf der kritisierten Veranstaltung basieren.
Thorsten
Vielen Dank für den Kommentar. Der an den Fakten nichts ändert. Und auch an der Art Ihres – falschen und inakzeptablen – Verhaltens. Sie veranstalten als Lehrer ein Netzwerktreffen (das sie iPad-Netzwerk nennen…) und kommentieren hier nun als Privatmann ohne ihren vollen Namen. Ich bitte Sie in einem Folgekommentar ihren ganzen Namen und Ihre Schule zu nennen. PS. Selbstverständlich muss ich bei Ihrem Treffen nicht anwesend sein, um es zu kommentieren, insbesondere wenn es v.a. um einen Sachverhalt zu geht: dass sie sehr spendabel sind bei der Nennung des Produkts, für das sie de facto Werbung machen, wenn Sie die Presse dorthin einladen. Dass Sie aber Ihren Namen und Ihre Funktion, mit der Sie das Treffen organisieren nicht nennen. Sind Sie nur noch Apple Teacher? Und gar nicht mehr Lehrer einer staatlichen Gesamtschule? Also, beantworten Sie bitte die Frage.