Es gibt inzwischen den DigitalPakt Schule vier Mal. Außer dem für Schülerendgeräte kommt bisher keiner so richtig ins Laufen. Was ist da los?
Über 7.000 Endgeräte für Schüler:innen, die im Sommer 2020 angeschafft wurden, konnten in Hamburg bisher nicht administriert werden. Und das obwohl die Hansestadt im November Millionen für IT-Administrator:innen bekommen hat. Wie kann es sein, dass in der Stadt von Schulsenator Ties Rabe (SPD), der sich selbst als Vorreiter der digitalen Bildung sieht, so ein Flop passiert? Rabe sagt:
„Wir haben nach wie vor den Anspruch, bei der Digitalisierung einen Spitzenpodestplatz unter den 16 Bundesländern einzunehmen.“
Ties Rabe, Schulsenator Hamburgs
Warum fließen die Mittel so langsam ab? Bremst da einer? Ist da ein fieser Bürokrat am Werk? Nein. Die unendliche Langsamkeit ist systembedingt. Zuständig für Schulen sind die Länder und die Kommunen. Der Bund kommt nur ins Spiel, weil die Zuständigen – manchmal zu Recht – behaupten, sie hätten kein Geld. Gießt der Bund nun von oben Mittel ins System, muss er schauen, ob es da ankommt, wo es hin soll. Daraus ergibt sich ein Gerangel von Kommunikation, Kompetenzen und Kontrollen. Zwischen Ländern und Kommunen herrscht de facto Planwirtschaft.
Für den Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI habe ich eine Länderabfrage gemacht, wie es um die Pakte für Lehrerendgeräte und IT-Administrator:innen steht. Der eine Pakt ist seit November 2020 zwischen Bund und Ländern fertig verhandelt (IT-Admins), der andere wurde Ende Januar ’21 fertig – doch können die Länder bereits seit Mitte letzten Jahres Geräte anschaffen. Hier ausgewählte Antworten aus den Ländern:
Saarland
Der Bewilligungszeitraum läuft heute (31. März) ab und wir gehen davon aus, dass die Schulträger die Beschaffungen aus eigenen Mitteln vorfinanziert haben und die mobilen Endgeräte in den Schulen angekommen sind.
Pressestelle Bildungsministerium

Die zuständigen Mitarbeiter*innen des Ministeriums für Bildung und Kultur (MBK) prüfen jeden Antrag sehr sorgfältig. (sic!)
Die Schulträger haben bereits mit dem mittlerweile abgeschlossenen Sofortausstattungsprogramm insgesamt 12.000 Endgeräte bestellt.
Hamburg
für Hamburg ist zu berücksichtigen, dass das Land (Stadtstaat) zugleich der Schulträger ist. Daher erfolgt die Umsetzung der Zusatzvereinbarung Administration und der Zusatzvereinbarung Leihgeräte für Lehrkräfte zentral. Die entsprechenden Vorbereitungen sind getroffen.
Sprecher der Hamburger Bildungsbehörde
Dazu muss man sagen: in den Ländern kommt die Langsamkeit vor allem zustande, weil es zu oft komplizierten Absprachen mit den Kommunen und Landkreisen kommt. Warum es nun in Hamburg als besonders berücksichtigenswert gilt, dass es keine weitere Gebietskörperschaft gibt, bleibt rätselhaft.

Nochmal Hamburg: „Lehrerlaptops: Die Schulbehörde macht eine Sammelbestellung. Das Bestellverfahren (über die Schulen) läuft gerade, jede Lehrkraft hat die Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Modellen. Ziel ist, dass alle Lehrkräfte bis zum Beginn des nächsten Schuljahres versorgt sind.“ Das bedeutet: obwohl Hamburg keine weitere Instanz zur Abstimmung hat, ist es dem Stadtstaat nicht gelungen, seit Mitte letzten Jahres Endgeräte für Lehrer:innen zu bestellen. Das heißt: der selbsternannte Spitzenpodestplatz-Halter braucht eineinviertel Jahre bis die Dienstlaptops für Lehrkräfte da sind.
NRW

Das Land unterstützt die Schulträger im Rahmen des Konjunkturprogramms 2020 bei der Ausstattung der Lehrkräfte mit dienstlichen Endgeräten und stellt dafür 103 Millionen Euro bereit… Mit Stand 15. Februar 2021 haben die Schulträger in NRW Anträge mit einem Gesamtvolumen von rund 93 Millionen Euro gestellt.
… hieß es aus dem Schulministerium
Thüringen
Die dritte Änderung der DigitalPakt-Richtlinie, deren wesentlicher Teil die Förderung der Ausstattung der Lehrkräfte mit dienstlichen Geräten ist (Teil VI der DP-RL), wurde von Minister Helmut Holter am 25. März 2021 (sic!) unterzeichnet.
– Demzufolge liegen noch keine Anträge, Bewilligungen und Mittelauszahlungen vor
Zu Ihrer Zusatzfrage zu den Schülerendgeräten verhält es sich so, wie von mir bereits mündlich vermutet: Sie sind mit einem völlig veralteten Dokument ausgestattet worden. Insofern kann man nur vermuten, dass es von bestimmter interessierter Seite verbreitet wird, um ein drastisch verzerrtes Bild zu zeichnen.
Anmerkung: die „interessierte Seite“ sind der Bundesfinanzminister und der Haushaltsausschuss des Bundestages. Das Dokument gibt den aktuellen Stand des Mittelabflusses vom Bund an das Land Thüringen zum Abrechnungszeitraum 31. Dezember 2020 wieder. Thüringen sagt, inzwischen seien 75% der Mittel abgefordert.
Beim Sofortausstattungsprogramm wurden zunächst alle Zahlungen des Jahres 2020 an die Schulträger (Stand 31.12.2020) aus dem Landesanteil, also aus Landesmitteln finanziert. So erklärt sich die 0 in der Tabelle vom 31.12.2021.
Es liegen Anträge von vier Schulträgern vor. Zwei Schulträger erhielten bereits eine Bewilligung (Höhe: rund 25.000 € und rund 2.200 €). Bei einem weiteren Antrag besteht Rücksprachebedarf; er ist insoweit in Bearbeitung. Ein letzter Antrag ging in dieser Woche ein und wird bearbeitet.
Sachsen-Anhalt
„Derzeit sind wir im engen Austausch mit den Schulträgern, um zu eruieren, welche Bedarfe es konkret gibt. Anschließend werden wir eine entsprechend bedarfsorientierte und -gerechte Richtlinie auf den Weg bringen.“
Marco Tullner, Schulminister
Um die Nutzung schulischer IT-Infrastruktur durch personelle Unterstützung in Form von IT-Administration zu gewährleisten, werden Mittel in Höhe von 15,28 Mio. € bereitgestellt… Die Umsetzung der Maßnahme wird in Zusammenarbeit mit den Schulträgern in den kommenden Wochen beginnen… Die Abfrage und Rückmeldung erfolgt über Online-Abfragen.

Bayern
Die Zuständigkeit für Einrichtung, Pflege und Wartung der IT-Ausstattung an bayerischen Schulen liegt – gesetzlich geregelt – bei den Schulaufwandsträgern. Für die technische Systembetreuung ist eine umfangreiche Unterstützung der zuständigen Kommunen und privaten Träger vorgesehen. Über die Zusatz-Verwaltungsvereinbarung „Administration“ zum DigitalPakt Schule stehen für Bayern 77,8 Mio. € für die Förderung technischer IT-Administratoren bereit.
Der Freistaat hat diesen Betrag um 80 Mio. € aus Landesmitteln auf insgesamt 157,8 Mio. € mehr als verdoppelt.
Die bayerische Umsetzung befindet sich bereits in der finalen Vorbereitung, mit Inkrafttreten des Staatshaushalts 2021 sollen die Landesmittel bereitgestellt werden.
Sachsen
für beide Sachverhalte (Lehrerlaptops/IT-Administratoren) befinden sich entsprechende Förderverordnungen in der Anhörung bzw. Abstimmung. Wir gehen derzeit davon aus, dass dazu Anfang Juni Förderanträge gestellt werden können. Insofern muss ich zum jetzigen Zeitpunkt mit Zahlen passen.

Hessen
Beim IT-Support-Programm sind wir noch in Verhandlungen mit den Schulträgern. Wir haben alle drei Zusatzprogramme gemeinsam mit den Schulträgern umgesetzt. Das gewährleistet, dass es keine parallelen IT-Infrastrukturen gibt.
Sprecher hessisches Bildungsministerium

Bremen

Extrafonds Dienstgeräte: Seit Sommer 2020 sind alle Lehrkräfte in Bremen mit dienstlichen iPads ausgestattet.
Extrafonds IT-Administratoren: Die Anpassung der Förderrichtlinie des Landes Bremen zum Abrufen und zur Verausgabung der Mittel findet zurzeit statt. Mit dem Beginn der Umsetzung ist ab Mai zu rechnen.
Brandenburg
Die entsprechende Förderrichtlinie befindet sich derzeit noch in der internen Abstimmung und wird im Anschluss im Rahmen der üblichen Verfahren mit weiteren Beteiligten (u. a. den Kommunalen Spitzenverbänden) abgestimmt.

Ein zentrales Kriterium für die Förderfähigkeit einer Maßnahme ist, dass diese in unmittelbarer Verbindung mit Investitionen im Rahmen des DigitalPakts Schule (inklusive weiterer Zusatzvereinbarungen) stehen muss.
Niedersachsen
F: Ich würde gerne wissen, wie weit Niedersachsen mit den beiden Zusätzen zum Digitalpakt ist: mit dem Extrafonds für Dienstgeräte der LehrerInnen und dem für IT-AdministratorInnen.
Sprecherin von Bildungsminister Tonne
Der Entwurf der Richtlinie „Leihgeräte für Lehrkräfte“ sowie der Entwurf des Änderungserlasses der Richtlinie „Verbesserung der IT-Infrastruktur und der IT-Ausstattung in Schulen“ sind seit Montag in der Anhörung.

Sind Mittel geflossen, sind Dienstgeräte für Lehrer:innen angeschafft worden, sind IT-Admins eingestellt oder beauftragt worden? (Jeweils: wenn ja – wie viele?)
Sprecherin von Bildungsminister Tonne
Die konkrete Abwicklung der Zusatzprogramme zum DigitalPakt obliegt den Schulträgern. Geplant sind schulgebundene Endgeräte, die den Lehrkräften dann als Leihgeräte zur Verfügung stehen. Da die Umsetzung bei den Schulträgern liegt, können landesseitig keine Aussagen zu konkreten Zahlen getroffen werden.
Mecklenburg-Vorpommern
Leihgeräte für Lehrkräfte
· Am 04.02.2021 wurden Informations- und Genehmigungsschreiben zum vorzeitigen Maßnahmebeginn sowie die finale Fassung der Förderrichtlinie im Entwurf + Anlage Schulträgerbudgets an die Schulträger und Schulen versandt. Die Schulträger können somit unmittelbar mit der Umsetzung sowie mit der Beschaffung der Geräte beginnen. Vor der Veröffentlichung muss die Förderrichtlinie noch das formelle Anhörungs- und Beteiligungsverfahren durchlaufen. Dieses Verfahren befindet sich in der Vorbereitung.
Förderprogramm IT-Administration
Die Förderrichtlinie liegt in einem ersten Entwurf vor. Vor der Veröffentlichung muss die Förderrichtlinie dann noch das formelle Anhörungs- und Beteiligungsverfahren durchlaufen.

Was kann man aus diesen Abläufen lernen? Wenn Digitalisierung auf Bürokratie trifft, gibt es schnell eine Kollision. Die Trutzburg der Verwaltungsebenen ist stark. Sie besteht aus vielen Reihen von Zuständigkeiten, die mit eingeschliffenen Prozeduren arbeitet. Ist eine Ebene übersprungen, löst die nächste Beratungsbedarf aus. Meine These ist, dass das chaotische Zusammenspiel zwischen Ländern und Kommunen zu einer Implosion führen könnte. Die Hunderten Millionen Euro für Endgeräte sind das Trojanische Pferd, welche die Kommunalverfassung sprengen könnte. Dass dieses System für eine schnelle Digitalisierung nicht taugt, muss niemand mehr beweisen. Dass es sich nicht von allein auflöst, ist auch klar. Wie lange schauen die Leute dieser organisierten Verantwortungslosigkeit zu?